Der Familienmensch

Mit „Strauß – Aufstieg und Fall einer Familie“ nähert sich der WDR dem bayerischen Koloss – und kommt doch nie richtig an (Di., 22.15 Uhr, WDR)

VON DER WIESN DER HÄGLER MAX

Sie wird mit Regelmäßigkeit „Strauß-Tochter“ genannt, vor allem als die eigenen politischen Affären begannen. Auch über ihn heißt es immer „Sohn des Franz Josef Strauß“. – Gemeint sind Monika Hohlmeier und Max Strauß, zwei von drei Kindern des großen FJS. Skandalumwitterte Kinder eines Mannes, der CSU-Vorsitzender war, in den Sechzigern zweimal Kanzlerkandidat der Union, dazu Lebemann und Familienmensch, Intellektueller und Stammtischbruder. Und natürlich Landesvater von Bayern, Deutschlands lautester Antikommunist – und der dennoch Mao Tsetung getroffen hat.

Als Strauß 1988 starb, weinten viele im Freistaat, auch manch liberal Denkender. Zu facettenreich war der bayerische Ministerpräsident, um ihn allein festlegen zu können auf seine bierseligen Polemiken, die er immer wieder ansetzte gegen „Schreier, Störer, Querulanten, antidemokratische Hetzer“ – kurz gegen alle, die anders dachten als er.

Werner Biermann hat in seiner Doku nachgezeichnet, wer dieser Mann war und was er für eine Familie hatte, deren Glanz nur eine gute Generation überdauert hat – und die man wohl dennoch als Dynastie bezeichnen kann. Herausgekommen ist ein umfangreiches Werk, dessen Eckpunkte schon vorher klar waren: Die Spiegel-Affäre 1962, als Strauß, damals Verteidigungsminister, die Redaktion des verhassten Blatts räumen ließ. Und natürlich seine Zeit in Bayern, als er aus dem landwirtschaftlich geprägten Freistaat ein Industrieland machte, aber auch ein Amigoland. Doch der Film geht weiter. Biermann will das gesamte Bild darstellen, im Archiv des Max-Gymnasiums hat er nach ersten Schulzeugnissen gesucht und wohl das gesamte bestehende Filmmaterial gesichtet sowie mit Zeitzeugen und den Strauß-Kindern gesprochen.

Zur Gesamtkritik kommt es allerdings nicht; „ein leidenschaftliches Lebens“ habe Strauß gehabt, urteilt Biermann, fast so als habe er nach den vielen Recherchen eingesehen, dass dieser Koloss kaum auf einen einzigen Nenner zu bringen ist. Doch wer an mancher Stelle genau zuhört, erkennt die Aktualität des Stoffs. Wenn sich etwa Strauß’ Weggefährte Friedrich Zimmermann über dessen mangelnde Menschenkenntnis beklagt, aber gar nicht recht viel mehr dazu sagen will, außer: „Zu seinen Freunden gehören viele, die noch leben.“

Vielleicht kommen ja ab Dezember wieder ein paar von ihnen zu Wort, wenn Max Strauß, der Sohn, wieder vor Gericht muss. 43 Verhandlungstage sind in Augsburg angesetzt, beim letzten Mal im vorigen Jahr gab sich die CSU-Elite in der Zeugenbank die Hand. Und ob Monika Hohlmeier, die derzeit politisch gescheiterte Tochter, wirklich nicht mehr nach oben kommt, das wird sich erst zeigen. Ein bisschen Strauß lebt eben schon noch weiter.