Lufthansa am Boden

MOBILITÄT Die Piloten der größten deutschen Fluggesellschaft streiken drei Tage lang. Sie wollen ihre Frühverrentungen behalten

Der Pilotenausstand könnte ein Anlass sein, künftig das Streikrecht auszuhöhlen

VON RICHARD ROTHER

BERLIN taz | Es ist der größte Streik bei der Lufthansa, und Hunderttausende Menschen sind davon betroffen: Drei volle Tage, von Mittwoch bis Freitag, wollen die Piloten der größten deutschen Fluggesellschaft in den Ausstand treten. Die Lufthansa streicht 3.800 Flüge, rund 425.000 Passagiere wissen nicht, wie sie an ihr Ziel kommen. Umbuchungen und Umplanungen laufen auf Hochtouren, die Bahn will nötigenfalls zusätzliche Züge einsetzen. Streikziel der gut bezahlten Piloten ist es, Verschlechterungen der tariflich geregelten Frühverrentung zu verhindern.

„Nachdem die Lufthansa zur Gewinnmaximierung in den letzten Jahren immer mehr profitable Arbeitsplätze von Deutschland ins Ausland verschoben hat, wurde im letzten Jahr der Angriff auf die Versorgungssysteme aller Lufthansa-Mitarbeiter begonnen“, heißt es bei der Pilotenvereinigung Cockpit. Im Rahmen des Sparprogramms „Score“ seien sämtliche Versorgungstarifverträge aller Lufthansa-Mitarbeiter gekündigt worden.

Bislang wurde nach Cockpit-Angaben für jeden Piloten während der Firmenzugehörigkeit Geld in einen Topf bezahlt, der es den Flugkapitänen ermöglicht, ab dem 55. Lebensjahr ihren Beruf aufzugeben. Wer ausscheidet, kann dann mit einer Zahlung in Höhe von 55 Prozent des letzten Bruttogehaltes rechnen. Verglichen mit anderen Branchen ist diese Regelung opulent, aber Cockpit verteidigt sie mit der Härte des Pilotenberufs. Ihre Belastungen seien wegen der ständigen Zeitverschiebungen, der Nachtflüge, des extremen Schichtdienstes und der häufigen Klimaverschiebungen sehr hoch. „Deshalb muss es den Piloten möglich sein, individuell entscheiden zu können, ob sie sich den Belastungen noch gewachsen fühlen“, so die Gewerkschaft. Dies sei im Interesse der Passagiere, da diese mit fitten Piloten fliegen wollten.

Lufthansa kritisiert das Vorgehen der Piloten. Die Vereinigung Cockpit sei nicht bereit, ohne Arbeitskampf und auf dem Verhandlungswege zu einer Lösung zu kommen, sagte Personalvorstand Bettina Volkens. „Wir haben sowohl für eine verbesserte Vergütung als auch für eine künftige Regelung zum vorzeitigen Ausscheiden aus dem Flugdienst gute Angebote gemacht.“ Dass Cockpit dennoch zu einem Streik aufrufe, sei für Kunden und Lufthansa-Mitarbeiter nicht nachvollziehbar.

Der Pilotenstreik wirft seine Schatten voraus. Unionsfraktionsvize Arnold Vaatz (CDU) fordert eine Änderung des Streikrechts. „Der Pilotenstreik bei der Lufthansa wird einen enormen volkswirtschaftlichen Schaden auslösen“, sagte Vaatz der Rheinischen Post. „Diesen Fall sollten wir zum Anlass nehmen, über eine Gesetzesänderung nachzudenken.“ Die Schäden, die ein Arbeitskampf verursache, müssten im Verhältnis zum Anlass stehen. Es könne nicht sein, dass eine Gewerkschaft, deren Mitglieder an wichtigen Schaltstellen säßen, ihre Position nutze, um bei der Tarifentwicklung schneller voranzukommen als andere.

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