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: Der entzauberte Wunderknabe

Der Vertrauensvorschuss aus Wirtschaft und Politik, mit dem Klaus Kleinfeld vor 22 Monaten als Siemens-Vorstandschef startete, war nicht von schlechten Eltern. Der Betriebswirt, der neben dem Job über Corporate Identity promoviert hatte, wurde als „smarter Manager neuen Typs“ gefeiert. Als „Konsensbilder“, „Teamarbeiter“ – und als „Sunny Boy“. Betriebsräte und Gewerkschafter, die den „rücksichtslosen Sanierer“ befürchteten, galten als Spielverderber. Zumal der mit seiner Schulliebe verheiratete Vater von zwei Töchtern auch soziales Engagement vorweisen konnte. Inzwischen hat sich die Stimmung gewendet. „Das personifizierte Imageproblem von Siemens heißt Klaus Kleinfeld“, schreibt nun die Börsenzeitung. Radikaler formuliert es die Bild am Sonntag. Bei ihr ist der Siemens-Chef nur noch „der Ruinator“.

Den entscheidenden Schlag versetzte ihm dabei das BenQ-Desaster. Vor einem Jahr trennte sich Kleinfeld, der bis 2005 für das Siemens-Telefongeschäft zuständig gewesen war, von der Mobilfunk-Sparte. „Das ist ideal“, sagte er damals. „Die beste Lösung für Kunden, Mitarbeiter und Aktionäre.“ Heute wirft ihm nicht nur die Gewerkschaft vor, er habe sich nur von Abfindungen frei gekauft, die fällig gewesen wären, wenn der Konzern den Bereich selbst abgewickelt hätte.

Dass bei Kleinfeld der Lack ab ist, hat aber nicht nur mit BenQ zu tun. Der Bremer Hafenarbeitersohn hat es nach und nach geschafft, Mitarbeiter und Öffentlichkeit gegen sich aufzubringen. Zunächst war es nur sein übertrieben „amerikanischer Führungsstil“, über den sich die Siemensianer in den internen Firmenblogs gern lustig machten. Dann sein forsches Auftreten, sein Hang zu Luxusartikeln – und sein etwas bigotter Umgang damit. Kleinfeld lässt zwar liebend gern eine Rolex am Handgelenk blitzen, er soll jedoch auch schon dafür gesorgt haben, dass das gute Stück auf offiziellen Firmenfotos wegretuschiert wird.

Etwas mehr von diesem Instinkt hätte er brauchen können, als er sich vor wenigen Wochen eine fürstliche Gehaltserhöhung vom Aufsichtsrat genehmigen ließ. Gleich um ein Drittel auf 4,3 Millionen Euro wurde sein Jahresentgelt aufgestockt. Damit ist er nicht der bestverdienende deutsche Manager, aber was das Gefühl für den Zeitpunkt angeht, spielt er in einer Liga mit Deutsche-Bank-Chef Josef Ackermann. Schließlich verhandelt Siemens gerade über unbezahlte Mehrarbeit für einen Teil der Beschäftigten, niedrigere Gehaltsstufen und Kürzungen beim Urlaubs- und Weihnachtsgeld. So viel taktisches Ungeschick kann sich ein Spitzenmanager normalerweise nicht leisten.

BEATE WILLMS

wirtschaft und umwelt SEITE 8