Mission gescheitert

AUS JERUSALEM SUSANNE KNAUL

Ohne ihre Mission erfüllt zu haben, sind am Sonntag morgen die letzten noch im Libanon stationierten 200 israelischen Soldaten abgezogen. Die beiden vor gut zweieinhalb Monaten entführten Soldaten befinden sich nach wie vor in den Händen der Hisbollah. Die schiitischen Extremisten gaben zudem bekannt, dass sie nicht beabsichtigen, dem vor sechs Wochen erreichten Waffenstillstandsabkommen nachzukommen, das eine Entwaffnung der Hisbollah vorsieht.

Rund 30.000 israelische Soldaten waren vorrübergehend im Einsatz, um die beiden Entführten zu befreien und Hisbollah militärisch zu schwächen. Mit dem Abzug erfüllt die israelische Regierung ihre Verpflichtungen laut UN-Waffenstillstandsresolution. Diese sieht die Stationierung von 15.000 internationalen Friedenstruppen und die gleiche Zahl von libanesischen Soldaten vor. Von den internationalen Einheiten sind erst rund die Hälfte im Einsatz.

Die Bundesrepublik schickte insgesamt 2.400 Blauhelme der Marine mit dem Auftrag, den Waffenschmuggel auf dem Seeweg zu unterbinden. Der Einsatz ist zunächst auf ein Jahr begrenzt, wobei Bundesverteidigungsminister Franz Josef Jung (CDU) bereits ein längere Frist in Aussicht stellte. Die Bundesrepublik vermittelt zudem zwischen der Hisbollah und Israel, um einen Gefangenenaustausch zu erreichen.

Für Israel haben sich die Spielregeln zu eigenen Gunsten verschoben, weil die Hisbollah laut Waffenstillstandsresolution aus dem Südlibanon verbannt wird. Israels Verteidigungsminister Amir Peretz ordnete den Grenzpatrouillen eine „aggressive Haltung“ gegenüber Pro-Hisbollah-Demonstrationen an. Bereits in der vergangenen Woche hatte Stabschef Dan Halutz angekündigt, den Soldaten zu erlauben, mit scharfer Munition zu schießen, falls aus der Grenzregion Raketen auf Israel abgefeuert werden sollten.

Aus israelischer Sicht ist bei künftigen Grenzübergriffen nicht mehr die Hisbollah, sondern die Regierung in Beirut verantwortlich. Nach Einschätzung eines israelischen Offiziers, der zu den letzten stationierten Truppen gehörte, sei es nur eine Frage der Zeit, „höchstens ein Jahr“, bis zur nächsten Konfrontation, wie die Internet-Ausgabe des israelischen Blattes Ma’ariw zitierte.

Vorläufig muss sich sowohl die politische als auch militärische Führung vor mehreren Untersuchungsausschüssen in Israel für den eben beendeten Feldzug verantworten. Der pensionierte Richter Elijahu Winograd, der dem von der Regierung einberufenen Untersuchungskomitee vorsitzt, hielt in der vergangenen Woche erste „Hintergrundgespräche“ mit Premierminister Ehud Olmert und Verteidigungsminister Peretz ab. Bis zum Abschluss der Zeugenbefragungen werden jedoch Monate veranschlagt.

Stabschef Halutz räumte unterdessen persönliches Versagen ein. In der gestrigen Feiertagsausgabe der auflagenstärksten Tageszeitung Jediot Achronot zum jüdischen Versöhnungstag (Jom Kippur) fragt sich der Stabschef selbst: „Habe ich die richtigen Entscheidungen getroffen?“ Es werde indes keiner der Untersuchungsausschüsse für ihn entscheiden müssen, „die Schlüssel zurückzugeben. Das werde ich, wenn nötig, selbst tun.“

Dessen ungeachtet plant der Stabschef schon den nächsten Feldzug. „Wir werden militärische Maßnahmen finden müssen, um den Raketenbeschuss auf Sderot zu verringern“, meinte Halutz gestern gegenüber dem Radiosender „Stimme Israels“. Am Vortag wurden zwei Israelis leicht verletzt, nachdem die Stadt erneut unter Beschuss von aus Gaza abgefeuerten Raketen kam. Die israelische Luftwaffe reagierte mit einem gezielten Angriff und tötete zwei palästinensische Kämpfer. Nach Auskunft von Halutz ist auch wieder eine „umfassende Bodenaktion“ im Gespräch.