Wirtschaft jammert

DEUTSCHLAND 14 Wochen Mutterschutz gibt es hier bisher. Unternehmen fürchten jetzt Einbußen

BERLIN taz | Die geplante Verlängerung des Mutterschutzes und die Einführung von zwei Vaterschaftswochen findet in Deutschland ein geteiltes Echo. Obwohl mit einem endgültigen Gesetz erst 2011 zu rechnen und zum jetzigen Zeitpunkt noch völlig offen ist, wie das Gesetz in Deutschland umgesetzt werden muss, warnt die Wirtschaft schon jetzt vor Einbußen für die Unternehmen.

Das Centrum für Europäische Politik in Freiburg hat ausgerechnet, dass Arbeitgeber für die Verlängerung des Mutterschutzes von derzeit 14 auf künftig 20 Wochen zusätzlich 640 Millionen Euro mehr ausgeben müssten. Hinzu kämen rund 260 Millionen Euro für die Vaterschaftszeit.

Arbeitgeberpräsident Dieter Hundt sagte, das gehe „eindeutig zu weit“. Auch das Familienministerium lehnte den EU-Vorstoß mit dem Argument finanzieller Risiken für die Unternehmen ab. Nicole Bracht-Bendt, frauenpolitische Sprecherin der FDP-Fraktion im Bundestag, sagte zur taz: „Für die Arbeitgeber ist ein solch weitreichender Anspruch eine zusätzliche Belastung.“ Heiner Minssen, Professor für Arbeitsorganisation und Arbeitsgestaltung an der Ruhr-Universität Bochum, hält diese Argumente für das „übliche Gejammer“: „Ich glaube nicht, dass ein einziger Mittelstandsbetrieb durch die Regelung in Schwierigkeiten kommt.“ Er befürwortet die Mutterschutzausweitung, sieht aber keine wesentlichen Verbesserungen für die Vereinbarkeit von Familie und Beruf. „Die Wiedereinstiegschancen für Mütter in den Beruf müssen besser geregelt werden“, sagte Minssen zur taz. Dazu zählt der Arbeitsmarktexperte vor allem ausreichende Kinderbetreuungsmöglichkeiten. Der Deutsche Frauenrat geht noch weiter: keine Nachtschichten, keine Überstunden, Kündigungsschutz fordert er.

Die Opposition reagierte auf die ablehnende Haltung der Bundesfamilienministerin in gewohnter Schärfe. SPD-Vize Manuela Schwesig sagte: „Frau Schröder ist keine Familienministerin. Sie vertritt nicht deren Interessen, sondern macht Lobbyarbeit für die Wirtschaft.“ Christel Humme, Sprecherin der SPD-Arbeitsgruppe Gleichstellungspolitik im Bundestag, sieht in dem EU-Beschluss ein „klares Bekenntnis für mehr Partnerschaftlichkeit“.

SIMONE SCHMOLLACK