Die Hit-Bremse

Hamburger Studie des Zentrums für Personalforschung belegt: Lockerung des Kündigungsschutzes schafft keine zusätzlichen Jobs. Hamburgs DGB-Chef Pumm warnt vor Einschnitten im Arbeitsrecht

VON KAI VON APPEN

Das Lied ist ein echter Hit: Er wird gern von Wirtschaftsbossen gesungen, von vermeintlichen Wirtschaftsexperten und konservativen Politikern getrillert und von den Medien gedudelt. „Die Lockerung des Kündigungsschutzes schafft neue Arbeitsplätze.“ Doch die Metapher, „Kündigungsschutz“ sei eine „Job-Bremse“, ist jetzt von Forschern des Zentrums für Personalforschung an der Universität Hamburg als „falsch“ entlarvt worden. Wasser auf die Mühlen von Hamburgs DGB-Chef Erhard Pumm: „Politik und Unternehmen sollten die Dosis der falschen Medizin nicht noch steigern wollen, indem nach weiterer ‚Deregulierung‘ des Arbeitsrechts gerufen wird.“

41 Personalverantwortliche von kleinen, mittelständischen und großen Unternehmen haben die Wissenschaftler Ulrich Zachert und Florian Schramm in qualitativen Interviews im Auftrag der gewerkschaftlichen Hans-Böckler-Stiftung befragt. Die gestellte Frage, „welche Rahmenbedingungen beeinflussen Entscheidungen für oder gegen Einstellungen“, erzeugte nach ihren Angaben zunächst Unverständnis. Erst ein gezielter Zusatzhinweis veranlasste drei Interviewpartner, den Kündigungsschutz als Haupthindernis zu nennen, für sechs weitere spielte dieser dann eine erhebliche Rolle, ebenso allerdings wie andere Faktoren.

Rund die Hälfte der Befragten sahen jedoch die Ertrags- und Auftragslage sowie die wirtschaftliche Situation der Unternehmen als größten Einflussfaktor für Neueinstellungen, der Kündigungsschutz spiele dabei keine Rolle. Etwa ein Viertel der Personalchefs gab zudem an, dass die Qualifikation ausschlaggebend für die Einstellung sei.

„Im praktischen Alltag der Personaler scheinen Kündigungsschutz und arbeitsrechtliche Bestimmungen keine große Rolle bei Neueinstellungen zu spielen“, so das Resümee von Zachert und Schramm. In ihrer Studie setzten sich die Forscher auch mit dem Phänomen des „gefühlten Arbeitsrechts“ auseinander. Denn nach einer Studie des Instituts der Deutschen Wirtschaft (IW) bei 859 Unternehmen hatten 70 Prozent den Kündigungsschutz als „Job-Bremse“ benannt. Da die Antworten vorgegeben und Mehrfachnennungen möglich waren, überrascht die beiden Forscher das Ergebnis nicht. „Die Ergebnisse der IW-Studie sind eher als unternehmerische Wunschliste einzuordnen denn als Schlüssel zu mehr Beschäftigung.“

Die in ihren Interviews geäußerten Praktiken der Personalchefs dürften hingegen dem „gelebten Arbeitsrecht“ entsprechen, in dem tatsächliche Erfahrungen zum Tragen kommen. Zudem würden sich ihre Ergebnisse mit einer WSI-Studie decken (siehe Kasten).

DGB-Chef Pumm warnt aufgrund der Forschungsergebnisse die große Koalition davor, den Kündigungsschutz anzutasten. „Die Ausdehnung der Probezeit ohne Kündigungsschutz auf zwei Jahre wäre fatal“, prophezeit Pumm. So würden Beschäftigte weiter verunsichert und die Konkurrenz unter Kollegen verschärft. „Wer befürchten muss, jederzeit kündbar zu sein, wird eher zu einem willfährigen Mitarbeiter, der sich nach oben duckt und zur Seite hin abgrenzt oder gar tritt“, so Pumm weiter: „In einem derart gestörten Betriebsklima leiden nicht nur die menschlichen Beziehungen, sondern auch die Arbeitsergebnisse.“