Nicht fürs Reihenhaus gebildet

Der Wirbel um Eva Hermans Thesen hat sich gelegt, doch das Thema bleibt. Die taz nord sprach darüber mit Politikerinnen aus CDU, SPD und Grünen. Zurück zum Herd, sagen alle, ist keine Lösung

„Die Wirtschaft muss lernen, dass Menschen eines bestimmten Alters Kinder haben, die lassen sich nicht wegrationalisieren“

Moderation: Kaija Kutter

Frau Koop, Hamburgs CDU-Frauen haben sich früh und deutlich zu Eva Herman geäußert. Deren Thesen seien ‚archaisch‘.

Karen Koop: Ich finde Eva Hermans Situationsbeschreibung nicht verkehrt. In unserer Gesellschaft ist es schwer, Beruf und Familie ohne ein wohlwollendes Umfeld zu vereinen. Nur die Schlüsse sind falsch. Zu sagen, besinnt euch auf eure biologische Rolle, das hat man mir als junger Frau nicht mal mehr gesagt. Und ich bin schon 62.

Die SPD-Frauen schwiegen.

Carola Veit: Es war schwer, da nicht ausfallend zu werden. Wir wollten auf dem Niveau die Diskussion nicht anheizen. Ich sage auch, die Analyse ist in vielen Punkten nicht falsch, nur die Schlüsse sind verkehrt. Ich hatte gehofft, dass die Thesen nicht auf so eine Resonanz stoßen.

Laut einer Ted-Umfrage im Privat-TV Hamburg 1 geben 77 Prozent Herman recht.

Koop: Man müsste feststellen, wer da angerufen hat. Die Frauen meiner Generation haben oft auf ihre Berufstätigkeit verzichtet und blieben zu Hause, weil ihre Männer sichere Jobs hatten. Wenn man sie fragt, ist Berufstätigkeit nötig, müssten sie ihren eigenen Lebensentwurf in Frage stellen. Dann werden da auch Männer angerufen haben, deren Frauen ‚der Kinder wegen‘ zu Hause blieben. Und die ihnen damit auch ihre eigene Versorgung und ihre Karriere garantierten. Diese Männer sind heute noch die Entscheidungsträger. Nur wenn es jetzt um ihre Töchter geht, denken sie moderner.

Frau Veit, Sie haben zwei kleine Kinder und sind politisch schwer aktiv. Trifft Sie der Rabenmutter-Vorwurf?

Veit: Die Vorhalte kommen von zwei Seiten. Ich wurde kurz nach der Geburt gefragt, wann arbeitest du wieder richtig? Ich versuche, mich davon frei zu machen, und sage, ich mach’ mein Ding. Es geht ja nicht um Kind und Karriere, es geht darum, wie Elternschaft und Erwerbstätigkeit verbunden werden können. Die Frauen meiner Generation haben nicht studiert, um mit 30 im Reihenhaus zu verschwinden.

Koop: In der Konsequenz müsste Herman den Frauen nur noch ein Hauswirtschaftsstudium erlauben.

Auch die Grünen waren still.

Christiane Blömeke: Wir fanden diese Thesen einfach lächerlich. Die Schlussfolgerungen von Frau Herman sind absurd und ein Roll-back in die Vergangenheit. Unglaubwürdig hat sie sich selber gemacht mit ihrem Leben, was sie führt. Aber sie beschreibt ein Problem, was real ist. Es ist für die Frauen extrem schwer, Kinder und Erwerbstätig hinzubekommen. Deshalb ist es für die Grünen schon lange eine Selbstverständlichkeit, dass wir Frauenberufstätigkeit fördern.

Obwohl mir die Wahlfreiheit wichtig ist. Es ist genauso zu akzeptieren, wenn Frauen oder Männer die ersten drei Jahre zu Hause bleiben. Ich habe das so gemacht, und weil es drei Kinder wurden, ist die Pause länger geworden. Wobei ich mich nicht als Hausfrau definiert habe. Ich hab immer nebenbei politisch und freiberuflich gearbeitet. Ich hatte nur keine 40-Stunden-Stelle.

Also keine Hausfrau?

Blömeke: In Teilen schon – ich wollte für die Kinder da sein. Ich war aber auch viel weg. Ich ärgere mich über diese Klischee-Einteilung in Hausfrau und Berufstätige. Das tut keiner Seite gut. Ich als Familienpolitikerin bin für beide da.

Nun ist vom „ideologischen Zwang“ zu arbeiten die Rede. Hausfrauen würden diskriminiert.

Koop: Das zielt auf die Sehnsucht nach der heilen Familienidylle, wie es sie früher gegeben haben soll. Wenn wir die Zeit zurückverfolgen, dann gibt es ein einziges Jahrzehnt, 1955 bis 1965, in dem wir diese Idylle leben konnten. Vorher nicht durch Kriege und Wirtschaftskrisen, und nachher nicht, weil sich mit den 68ern auch das neue Bewusstsein der Frauen entwickelt hat. Sie waren nicht länger nur familiäre Dienstleister.

Veit: Das könnten wir uns auch nicht mehr leisten. Wenn wir sehen, wie Kinderarmut in Deutschland zusammenhängt mit unserer vergleichsweise niedrigen Frauenerwerbsquote, verbietet sich diese Diskussion.

Blömeke: Es ist nahezu gefährlich, den Frauen zu sagen, gebt eure Jobs auf für die Kinder.

Koop: Welcher junge Mann kann einer Frau heutzutage versprechen, dass er ein Leben lang für sie sorgt? Die Berufstätigkeit des Mannes ist genauso instabil wie die der Frau. Wenn man auf dieser Basis eine Familie gründen will, kann man das nur mit der Absicherung über ein zweites Einkommen.

Veit: Ich frage, warum sind Frauen in ihren Jobs angeblich abkömmlicher als die Männer?

Koop: Weil es in den Köpfen eine automatische Zuweisung gibt. Ein junger Mann hat mir erzählt, wenn er sagt, ‚ich geh mit meiner Tochter zum Arzt‘, gucken ihn die Kollegen komisch an. Wenn er aber sein Auto in die Werkstatt bringt, sei es okay. Natürlich kriegen wir Frauen die Kinder. Und im ersten Jahr, glaube ich, können wir sie auch besser betreuen. Aber danach ist es wichtig, dass der Vater einen großen Part in der Erziehung einnimmt. Die Wirtschaft muss lernen, dass Menschen eines bestimmten Alters Kinder haben und diese sich nicht wegrationalisieren lassen.

Blömeke: Das begrenzt sich nicht ein auf ein Alter. Kinder hat man immer. Auch in der Pubertät sind Eltern wichtig.

Koop: Deshalb brauchen wir flexible Arbeitszeiten.

Blömeke: Wir brauchen aber auch die Abschaffung des Ehegattensplittings. Dieses Einverdienermodell ist überholt.

Ist es okay, wenn eine Frau sagt, ich widme nicht drei, sondern 15 Jahre der Familie?

Blömeke: Volkswirtschaftlich können wir uns das nicht leisten. Nur, wie die Hausfrau als solche definiert wird, das geht mir gegen den Strich. Es leistet auch jemand etwas, der gesellschaftlich aktiv ist.

Koop: Wenn sie eine vernünftige Altersversorgung hat, so dass sie eine Absicherung hat, ist es in Ordnung. Es ist ja Arbeit, was sie macht.

Veit: Wir können es uns insgesamt nicht mehr leisten, dass so viele gut ausgebildete Frauen zu Hause bleiben. Wir wissen, dass 40 Prozent der Frauen, die in Elternzeit gehen, nie wieder in ihren Job zurückkehren. Aber wir müssen bedenken, dass es ganz viele Modelle und Vorstellungen gibt. Eine Vier-Kind-Familie organisiert sich ganz anders als ein Dreipersonenhaushalt.

Kommt der Druck von beiden Seiten? Berufstätige sind Rabenmütter und Hausfrauen tun zu wenig?

Blömeke: Das meinte ich. Ich frage mich, wo bei dieser Debatte die Männer bleiben? Ich hätte hier gerne drei Väter sitzen.

Koop: Die Kinder jiepern nach Männern. Die jungen Väter nehmen auch ihre Rolle in der Erziehung ernster wahr.

Bei den Kita-Plätzen sieht es in Hamburg gut aus. Berufstätige Eltern haben einen Anspruch auf einen Kita-Gutschein, wenn das Kind ein Jahr ist. Nun sagt Frau Herman, das schadet dem Kind. Gar von Narben im Hirn war die Rede.

Koop: Wenn das stimmt, müsste die ganze Nachkriegsgeneration geschädigt sein. Unsere Mütter mussten arbeiten.

Blömeke: So ein Quatsch, Kinder werden genauso glücklich groß, wenn sie in die Krippe gehen. Wichtig ist, dass es dort feste Bezugspersonen gibt, die eine überschaubare Kinderzahl betreuen.

Nun wurden die Krippengruppen gerade vergrößert.

Veit: Das ist schon ein Punkt, der grenzwertig ist. Wenn dann in der Kita ein Zettel hängt, wir sind so schlecht besetzt, bitte betreuen Sie, wenn es geht, ihr Kind zu Hause, schafft das kein gutes Gefühl. Wenn ich Vollzeit arbeite und mein Sohn acht Stunden in der Kita ist, dann muss in dieser Zeit da auch was passieren.

Blömeke: Und die Kita alleine erzieht nicht die Kinder. Wenn wir sie um vier Uhr abholen, brauchen sie Aufmerksamkeit und jemanden, der zuhört.

Sollten Mütter, die die Wahl haben, lieber Teilzeit arbeiten? Oder ist das egal?

Veit: Wenn zwei Eltern kleiner Kinder berufstätig sind, macht es Sinn, wenn einer Teilzeit arbeitet. Oder beide 30 Stunden, wie es eine alte Forderung ist.

Blömeke: Kinder brauchen Zeit, da dürfen wir uns nichts vormachen. Wenn beide Eltern 40, 60 Stunden arbeiten, sind Kinder die Leidtragenden. Ideal wäre ein Lebensarbeitszeitmodell, bei dem Eltern weniger arbeiten, solange die Kinder klein sind.

Koop: Früher gab es Arbeitszeit und Freizeit. Wir brauchen heute aber auch ein Kontingent für Sorgezeit oder Sozialzeit. Und Frauen brauchen Freiraum für sich. Auch das fehlt bei Eva Herman.