Islamisch für Anfänger

Am Tag der offenen Moschee besuchen tausende BerlinerInnen islamische Gotteshäuser. Sie lernen, warum Frauen und Männer getrennt beten. Und was Straußeneier im Gebetsraum zu suchen haben

VON KONRAD LITSCHKO

Schuhe über Schuhe türmen sich auf der Treppe zum Gebetsraum der Sehitlik-Moschee. Doch drinnen wird sich nicht murmelnd den Suren des Korans gewidmet. Stattdessen blitzen Digitalkameras, wird über die feinen Kalligrafien auf Marmor und über den massiven Kronleuchter der Moschee gestaunt. Zusammen mit acht weiteren islamischen Gotteshäusern in Berlin hatte die Sehtilik-Gemeinde gestern zum Tag der offenen Moschee geladen. Und mehrere tausend Berliner nutzten die Gelegenheit, die Religionsstätten einmal von innen kennen zu lernen.

In der Sehtilik-Moschee, dem größten islamischen Gotteshaus in Berlin, ist es Pinar Cetin, die die Besucherströme durch ihre Gebetsräume führt. Die 24-jährige Politikstudentin lächelt höflich und schafft es durch ihre lockere Art, die Zuhörer auf ihre Seite zu ziehen. „Ich weiß beim Beten selbst manchmal nicht, wo Mekka ist. Egal, dann geht das Gebet halt einmal andersherum um die Erde.“ In ihrer Führung skizziert Cetin, die ein schlichtes Gewand und Kopftuch trägt, die Glaubensgrundsätze der Muslime. Und sie verrät Interna der Moschee. „Die Kugeln da am Kronleuchter sind Straußeneier – das soll die Spinnen fernhalten.“ Die Besucher schmunzeln.

Im Schneidersitz und barfuß hocken die Zuhörer vor Cetin auf dem türkisen Teppich, Kinder spielen mit den Gebetsketten der Gemeinde, manche Besucherin hat sich den Schal zum Kopftuch umgebunden. „Hier wird niemand rausgeschmissen, der kein Kopftuch trägt“, erklärt Cetin. „Auch den Muslimen steht das frei. Das muss jeder mit sich selbst ausmachen.“ Sie wird erst ungeduldig, als mehrmals ein Handy im Gebetsraum klingelt.

Die Besucher jedenfalls sind angetan von der Moschee, die seit 2004 am Columbiadamm steht. Fragen über Fragen stellen sie der jungen Frau. Nein, im Paradies warteten keine Jungfrauen, das sei nur ein Symbol der Belohnung für ein gut geführtes Leben, erklärt Cetin. Ja, es gebe viele Gemeinsamkeiten mit dem Christentum, gar identische Passagen in der Bibel und dem Koran. Und dass die Gebete der Muslime für Frauen und Männer getrennt erfolgen, sei eine Frage der Annehmlichkeit: „Wenn man sich als Frau beim Beten nach vorn beugt, will man doch seinen Hintern keinen zehn Männern hinter sich entgegenstrecken.“

Ganz beeindruckt sei er, flüstert Zuhörer Hans-Jürgen Schoene. Von der Architektur und der Offenheit der Gemeinde. In seinem Tunesien-Urlaub hat der Zehlendorfer schon einige Moscheen besucht. „Aber hier vor der Haustür noch nie.“ Nach seinem Rundgang will sich Schoene noch auf dem Hof der Moschee umsehen. Datteln, türkischer Honig und arabischer Tee können dort erworben werden.

Für die Gemeindemitglieder bleiben die Leckereien jedoch passé. Sie befinden sich im Fastenmonat Ramadan. Von Sonnenaufgang bis -untergang dürfen die Muslime keine Speisen zu sich nehmen. „Das soll die Dankbarkeit vor den einfachen Dingen und ein Mitgefühl für die hungernden Menschen wieder wachrufen“, erklärt Cetin.

Bereits zum zehnten Mal veranstalten die Berliner Moscheen ihren Tag der offen Tür. Und das ganz bewusst am 3. Oktober, dem Tag der Deutschen Einheit. „Wir wollen uns als selbstverständlicher Teil der deutschen Kultur zeigen.“ Die in Berlin aufgewachsene Tochter türkischer Gastarbeiter fühlt sich jedenfalls als waschechte Hauptstädterin. Daran können auch die Demonstrationen in Pankow gegen einen dortigen Moscheebau nichts ändern. „Natürlich ist es ein bisschen traurig und erschreckend, dass sich daran so viele Leute beteiligen, aber im Grunde ist mir der Protest egal“, sagt Cetin. Dass sich immer noch genügend Leute dem Islam offen gegenüber zeigen, beweise doch die Resonanz dieses Tages. „Das Interesse wird jedes Jahr mehr und mehr.“