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: HELMUT HÖGE über arme Schweine

„Präsident sollte nur jemand werden, der auch Schweine versteht!“ (Harry S. Truman)

Am Sonntag unternahmen wir einen Überlandausflug – zur Ausstellung „Arme Schweine“ im Schloss Neuhardenberg. Auf dem Weg dahin nahmen wir noch das Brechthaus in Buckow inklusive Freibad, das Pflanzenzüchtungsinstitut in Müncheberg, das sowjetische Ehrenmal auf der Seelower Höhe und etliche Apfelbäume am Straßenrand mit. Es war also ein ausgefüllter Tag. Die Schweine-Ausstellung hatte der HU-Kulturwissenschaftler Thomas Macho zusammengestellt, der sich oft und gerne mit Tieren beschäftigt. Da ich während meiner Arbeit in der Landwirtschaft auch immer wieder mit Schweinen zu tun hatte, allerdings gar nicht gerne, erhoffte ich mir von Macho insbesondere Aufklärung über die von einem holländischen Investor im uckermärkischen Haßleben geplante „industrielle Schweinemastanlage“ für 85.000 Schweine. Und zweitens über das gesunde Schwein als „Ersatzteillager“ für marode Menschen. Zu diesem letzten Punkt fand ich einen Text der Journalistin Annette Wunschel über Schweineorgane als Ersatzteile für Menschen im Katalog, der in der Nicolaischen Verlagsanstalt erschien. Er gehört zu den längsten Beiträgen. „Wir rechnen im Jahr 2010 mit ersten klinischen Versuchen zur Transplantation von Schweineherzen auf den Menschen“, verkündete Christopher McGregor von der Mayo Clinic in Rochester, New York, kürzlich. Dazu muss man die Tiere zuvor „genetisch manipulieren“. Wunschel ist da weniger optimistisch: Ausführlich erklärt sie, warum selbst robuste Paviane bisher nur einige Wochen mit Schweineherzen leben können.

Dafür ist aber der gigantischen neuen Mastanlage in Haßleben eine ganze Ausstellungswand gewidmet – im Schloss Neuhardenberg, das selbst wie eine riesige Schweinemastanlage aussieht. Zu dem 20 Fußballfelder großen Haßlebener Objekt hatte auch die taz bereits Erhellendes beigesteuert: „Ja zur Schweinemastanlage! Für Arbeitsplätze und sozialen Ausgleich!“ steht auf dem selbst gemalten Plakat am Ortseingang. Daneben hat jemand zwei lebensgroße Pappschweine aufgestellt, die den Autofahrern fröhlich zuwinken. Auch zu DDR-Zeiten wurden hier schon Schweine gemästet: 146.000 Tiere jährlich – mit 800 Mitarbeitern. Im Dorf gibt es nun für die neue Anlage – für 850.000 Schweine, mit 54 Mitarbeitern – eine Bürgerinitiative, die sich „Pro Schwein“ nennt und eine, die „Kontra Industrieschwein“ heißt, in ihr ist auch ein Veterinär aktiv, er sagt: Die frühere Anlage war „katastrophal, da wollte keiner gerne als Tierarzt arbeiten“. Dies galt auch für unsere mit 8.000 Schweinen kleine Anlage in der LPG „Florian Geyer“, Saarmund, wo ich zuletzt arbeitete: Es war laut und stank, jeden Morgen musste man einige tote Tiere rauskarren und eigentlich waren alle froh, als eine winzige Dorfinitiative eine Demo mit 12 Leuten vor dem Tor organisierte – woraufhin die Ämter in Potsdam die sofortige Schließung der Schweinemast verfügten – und 15 Leute ihren Arbeitsplatz verloren. 1990 konnte sich noch niemand vorstellen, dass sie vielleicht nie wieder eine Anstellung finden würden. In Haßleben geht dagegen der „Schweinekrieg“ (Bild) nun schon ins dritte Jahr – und ein Ende ist nicht abzusehen. Aber ob so oder so – gestern wie heute gilt: „Wer Countrymusic spielen will, muss eine Menge Mist gerochen haben!“ (Hank Williams)