Mozart soll Polizeischutz bekommen

Eine öffentliche Debatte in der Deutschen Oper Berlin: Mozarts „Idomeneo“ soll wieder ins Programm – nur wann? Alle wollen sofort, nur die Intendantin fordert zuerst ein Sicherheitskonzept. Und der Innensenator ist diesmal für mehr Mut zum Risiko

VON ROLF LAUTENSCHLÄGER

Die aus Sorge vor möglichen terroristischen Anschlägen von der Deutschen Oper Berlin abgesetzte Mozart-Oper „Idomeneo“ soll wieder ins Programm – wann genau, wissen allerdings wohl nur die Götter. Die Intendantin der Bühne, Kirsten Harms, sagte gestern auf einer Diskussionsrunde in der Deutschen Oper, sie könne sich „vorstellen“, die umstrittene Hans-Neuenfels-Inszenierung noch im Dezember wieder in den Spielplan zu heben. Als Voraussetzung nannte sie jedoch zwei Bedingungen: „‚Idomeneo‘ kann gespielt werden, wenn es dafür ein Sicherheitskonzept und eine Mitverantwortung der Sicherheitsbehörden gibt.“

Der hierfür Verantwortliche, Berlins Innensenator Ehrhart Körting (SPD), saß mit auf dem Podium, hatte aber kein klares Sicherheitskonzept parat. Es sei zwar „kein Problem für die Berliner Polizei, die Aufführung zu schützen“, sagte Körting. Ob und wie er dies veranlassen würde, ließ er jedoch offen, da keine „konkrete Bedrohung“ existiere.

Körting begründete noch einmal sein umstrittenes Handeln. Angesichts der „langen Schatten des Karikaturenstreits“ habe er im Sommer die Gefährdungslage für die Oper „wie gehabt“ eingeschätzt und Harms zur Absetzung des Stücks geraten. „Das war vielleicht falsch.“ Fehler hätte es auch bei der Kommunikation gegeben. „Es wäre sinnvoller gewesen, ausführlich darüber zu diskutieren.“ Aus heutiger Sicht, so Körting, könne er nur zur Wiederaufführung raten, auch um ein Zeichen gegen die zu setzen, die die Freiheit der Kunst wirklich bedrohten.

Auch Harms, die wegen der Absetzung stark kritisiert worden war, rechtfertigte sich noch einmal. Sie habe die Inszenierung (in deren Schlussszene die vier abgeschlagenen Häupter von Mohammed, Buddha, Poseidon und Jesus auf die Bühne geschleppt werden) gekippt, weil bei dem Anruf des Innensenators von einem möglichen extremistischen Anschlag auf die Oper die Rede gewesen sei. „Einen Kniefall“ vor dem Terror habe sie sich deshalb nicht vorzuwerfen.

In der Debatte im Opernhaus sahen das gestern die Teilnehmer, die alle uneingeschränkt die Wiederaufführung verlangten, freilich differenzierter. Der Intendant des Thalia Theaters (Hamburg), Ulrich Khuon, sagte, Körting und Harms’ Aufgabe wäre es gewesen, die Aufführung zu schützen. Statt den unkonkreten Drohungen zu weichen, hätten sie klar machen müssen, dass Kunst „die Pflicht zur Unruhe und zur Störung“ besitze.

Auch Kultursenator Thomas Flierl (PDS) plädierte für die „Freiheit des Tabubruchs“ in der Kunst. Er halte aus heutiger Sicht die von Harms entschiedene Absetzung zudem „für falsch“. Vor dem damaligen Hintergrund seien ihre Angst-Reaktionen aber „verständlich“. Um zukünftig dies zu vermeiden, müsse ein Dialog der Kulturen über die Stellung der Kunst initiiert werden. Unterstützung erhielt Flierl von Günter Piening, Migrationsbeauftragter des Landes, und der Islamwissenschaftlerin Riem Spielhaus. Die jetzige Debatte werfe die Frage auf, so Spielhaus und Piening, ob die hiesigen Verunsicherungsreaktionen auf mögliche Bedrohungsszenarien aus der islamischen Welt nur den dortigen Extremisten dienten und „wir unsere zivilen Werte damit selbst unterminierten“.