Einzelgänger unter sich

Soloalben scheinen dieser Tage zur primären Ausdrucksform elektronischer Musiker geworden zu sein. Setzte man sich früher meistens noch im Duo in arbeitsteiliger Absicht zusammen ins Studio, dient inzwischen der Computer als vornehmlicher Dialogpartner. Wenn umgekehrt ein Musiker und Produzent, der schon eine ganze Weile im Geschäft ist, sich erst spät in seiner Karriere als Solokünstler hervortut, gilt das fast schon als merkwürdig.

Tobias Freund macht seit den achtziger Jahren elektronische Musik, zunächst im Duo Sieg über die Sonne, veröffentlichte auch unter diversen Pseudonymen wie Pink Elln eine Reihe von Maxis, von denen aber viele gemeinsam mit Kollegen entstanden. Seit einigen Jahren betreibt er mit Max Loderbauer das Klangforschungsduo NSI (Non Standard Institute). Ein Teamplayer eben. Auf sein erstes Soloalbum musste man bis 2011 warten, jetzt ist, drei Jahre später, die zweite Langspielplatte als Tobias. (der Punkt ist Bestandteil des Künstlernamens) erschienen.

Tobias Freund hat sich Clubmusik immer aus der Perspektive des neugierigen Wissenschaftlers genähert. Auch „A Series of Shocks“ ist kein Techno-Album in dem Sinne, dass es ausschließlich dazu gemacht wäre, Menschen zum Tanzen zu bringen. Bewegungsfreundlich ist die Musik von Tobias Freund allemal, doch sie ist zugleich viel mehr. Ob er Synthesizer-Arpeggien scheinbar sich selbst überlässt oder mit dezent angerumpeltem Beat arbeitet, seine Tracks sind so wohlüberlegt aufgebaut, dass man in ihnen immer neue Details und Schichten entdecken kann.

Die Finnin Merja Kokkonen alias Islaja ist ebenfalls solo unterwegs, und eine spielerische Neugier auf das, was sich so mit Klängen machen lässt, zeichnet auch ihren Ansatz aus. Der äußert sich bei ihr allerdings in Kunstpop mit Echos von Achtziger-New-Wave. Eine distanzierte Melancholie, gepaart mit einer Freude am Absurden zieht sich durch ihre Songs, die in der Form recht frei gehalten sind und im Gestus an die Exzentrik Björks oder Laurie Andersons erinnern.

Islajas Musik eignet sich weniger zum Tanzen als zum Mitsingen, und selbst das will geübt sein. Ihre Melodien und Harmonien schlagen gern mal verwirrende Haken, ohne sich vollständig von Tonart und Wohlklang zu verabschieden. Diese eigenbrötlerische Balance zwischen schräger Fügung und konventioneller Form macht „SUU“ besonders reizvoll. TIM CASPAR BOEHME

Tobias.: „A Series of Shocks“ (Ostgut Ton/Kompakt), Release-Party 5. 4., Berghain

■ Islaja: „SUU“ (Monika Enterprise), Release-Party, 4. 4., Ausland