betrachtet das Treiben auf Berlins Bühnen

ESTHER SLEVOGT

Überall platzen die Knospen und die Spielpläne platzen in dieser Woche auch. Wohin soll man also gehen? Mal wieder ins Ballhaus Naunynstraße vielleicht? Dort befasst sich die Regisseurin und Schauspielerin Idil Üner mit einem publizistisch viel beachteten Phänomen: den türkischen Männern. „Teeverrückte Patriarchen, prügelwütige Machos, fleißige Hartz-IV-Empfänger, sich am Sack kratzende Verrücktblütler, wohin man blickt“, heißt es launig in der Vorankündigung. Oder ist am Ende alles anders? „Süpermänner“ geht der Frage auf den Grund (Ballhaus Naunynstraße: „Süpermänner“, ab 9. 4., 20 Uhr).

Ein Problemmann war auch Büchners Woyzeck. Im Gorki-Theater hat sich der Regisseur Mirko Borscht nun dieser berühmten Theaterfigur angenommen und inszeniert seinen „Woyzeck III“ frei nach Georg Büchner. Vor fast zehn Jahren hat Borscht in seinem Film „Kombat sechzehn“ von einem Jugendlichen (namens Georg!) erzählt, der in die Neonazi- und Gewaltszene abrutscht und auch als eine Variation der Woyzeck-Figur gelesen werden konnte: in einer der krassesten Szenen schneidet Georg sich selbst die Haare zur Glatze und verletzt sich dabei: Selbstverstümmelung und Zurichtung für den Einheitslook der Gruppe (Gorki-Theater: Woyzeck III, Premiere 4. 4., 19.30 Uhr).

In der Schaubühne beginnt am 3. April das Festival für zeitgenössische Dramatik F.I.N.D. – und zwar spektakulär mit der 240-Stunden-Performance „Meat“ des schwedischen Theatermachers Thomas Bo Nilsson, der bis 2013 zur Künstlergruppe Signa gehörte und wesentlich für die Gestaltung der begehbaren Kunstwelten ihrer Performances verantwortlich war. Nilssons erste eigene Arbeit ist eine 240-stündige Installation, in der die Zuschauer Räume und Figuren erleben, die von der Geschichte eines kanadischen Pornodarstellers inspiriert sind, der 2012 in einem Neuköllner Internetcafé verhaftet wurde. Ihm wurde vorgeworfen, einen Mann vor laufender Kamera zerstückelt, gegessen und den Film ins Internet gestellt zu haben: Sechzig Performer spielen in einer fragmentierten Lebens- und Konsumwelt. Die Installation wird während des ganzen Festivals Tag und Nacht begehbar sein. Teile der Installation werden im Internet live übertragen. Die zweite Eröffnungspremiere des Festivals ist eine Theaterfassung des finsteren Opus magnum des chilenischen Dichters Roberto Bolaño, „2666“: ein brutales, mäanderndes Buch, das Abenteuer-, Künstler- und Historienroman, Psychothriller und Sozialstudie in einem ist. Es inszeniert der katalanische Regisseur Alex Rigola (Schaubühne: F.I.N.D.-Festival 3.–13. April. Alle Infos: www.schaubuehne.de).