Erst das Sicherheitskonzept, dann die Kunst

Intendantin Harms will „Idomeneo“ im Dezember auf den Spielplan setzen – wenn die Politik für Polizeischutz sorgt

BERLIN taz ■ Die aus Sorge vor terroristischen Anschlägen von der Deutschen Oper Berlin abgesetzte Mozart-Oper „Idomeneo“ soll wieder ins Programm – wann genau, wissen allerdings nur die Götter. Die Intendantin der Bühne, Kirsten Harms, sagte gestern auf einer Podiumsdiskussion in ihrem Haus, sie könne sich vorstellen, die umstrittene Inszenierung des Regisseurs Hans Neuenfels noch im Dezember wieder auf den Spielplan zu heben. Als Voraussetzung für die Wiederaufnahme nannte sie jedoch zwei Bedingungen: „Idomeneo kann gespielt werden, wenn es dafür ein Sicherheitskonzept und eine Mitverantwortung der Sicherheitsbehörden gibt.“ Ein solches ausgefeiltes Konzept hatte der dafür Verantwortliche, Berlins Innensenator Ehrhart Körting (SPD), bei der Diskussion noch nicht parat. Dennoch ließ er durchblicken, dass es für die Berliner Polizei „kein Problem“ sei, eine Aufführung zu schützen.

Harms, die wegen der Absetzung stark kritisiert und sogar zum Rücktritt aufgefordert worden war, rechtfertigte ihre Reaktion. Sie habe nach einem Telefonat mit Körting das Absetzen der Inszenierung beschlossen, in deren Schlussszene die vier abgeschlagenen Häupter von Mohammed, Buddha, Poseidon und Jesus auf die Bühne geschleppt werden. Bei dem Anruf des Innensenators sei von einer möglichen Gefährdung der Oper die Rede gewesen. Einen „Kniefall“ vor dem Terror habe sie sich bis dato aber nicht vorzuwerfen, sagte die Intendantin.

Bei der Debatte im Opernhaus sahen das gestern fast alle Teilnehmer differenzierter – und forderten uneingeschränkt die Wiederaufführung. Der Intendant des Hamburger Thalia Theaters, Ulrich Khuon, sagte, Körting und Harms hätten ihre „Gefahrenanalyse“, die sich dann als unbegründet herausstellte, öffentlich machen müssen. Zudem wäre es ihre Aufgabe gewesen, die Autonomie der Kunst zu schützen. Kunst habe „die Pflicht zur Unruhe und zu stören“.

Auch Berlins Kultursenator Thomas Flierl (PDS) plädierte für die „Freiheit des Tabubruchs“ in der Kunst. Er hält – wie auch Körting – die von Harms entschiedene Absetzung „aus heutiger Sicht“ für falsch.

ROLF LAUTENSCHLÄGER