Der DFB bekam, was er wollte

Der Fan des Teams als Regisseur: Das Event Fußball verträgt keine kritische Neugier mehr

BERLIN taz ■ Jetzt wissen wir also endlich, wie wir aussehen, wo wir die größten Schweißflecken haben, wenn ein wichtiges Spiel hinter uns liegt. Wir wissen, wie unser Trainer brüllt, und auch, dass wir Gegner – zumal wenn es sich um böse Italiener handelt – ruhig mal „Scheißer“ nennen dürfen. Wir sind Dritter geworden. Und dank Sönke Wortmanns Film dürfen wir uns im Kino – in einer echten Doku – daran noch einmal delektieren. Das Sommermärchen kann weitergehen.

Der Deutsche Fußballbund kann sich freuen. Er hat das Projekt von Beginn an unterstützt. Und auch die Fifa, der Weltfußballverband, wird der DVD sicher einen Ehrenplatz in ihrem Archiv einräumen. Sie war von dem Projekt eines Jubelfilms über die WM derartig begeistert, dass sie Wortmann und seinem Team nicht nur alle möglichen Sondergenehmigungen, unter anderem den Zutritt in den Innenraum der Stadien, gewährte, nein, sie stieg als Finanzier gleich ganz mit ins Boot. Das findet natürlich der Regisseur ganz toll, der bei keinem seiner zahllosen Interviews, die er derzeit gibt, unerwähnt lässt, dass der DFB anders sei als früher und die Fifa wesentlich besser als ihr Ruf.

Der DFB hat mit Wortmanns Film genau das bekommen, was er wollte. Da hat sich kein Neugieriger auf Spurensuche begeben, um etwas herauszufinden, da wurde ein Fan der Nationalmannschaft vom DFB in die Kabine gesetzt und durfte seine Handycam laufen lassen. Natürlich hat Wortmann seinen Film zur Abnahme vorlegen müssen. Anstoß am Endprodukt hat niemand genommen – natürlich nicht. Wortmann war Teil des WM-Projekts, kein neutraler Beobachter.

Solche sind beim DFB ohnehin gefürchtet. Denn sie könnten ja einmal etwas entdecken. Als Jürgen Klinsmann kurz vor der WM wegen miserabler Auftritte der Nationalmannschaft von etlichen Medien stark kritisiert wurde, da wurde jeder Journalist, der schrieb, dass das Team schlecht gespielt hat – was jeder sehen konnte –, wie ein Nestbeschmutzer behandelt. Und der das Ziel WM-Titel willentlich gefährde.

Während des Turniers durften ausgewählte Medienvertreter immer wieder einmal mit einem Spieler oder Betreuer sprechen. Jedes Zitat, und sei es das des Mannschaftskochs, mussten sich die Journalisten genehmigen lassen. Der DFB rührte einen Infobrei an, mit dem sich die meisten Journalisten zufrieden gegeben haben. Zu wissen, was die Spieler essen, war ihnen mehr Platz wert als sportliche Analysen. Sie fühlten sich mittendrin, statt nur dabei.

Zu Beginn der WM machten sich etliche deutsche Journalisten darüber lustig, dass die Kollegen aus Afrika sich kleideten wie die Fans ihrer Mannschaft. Da waren sie selbst schon lang zu Fans geworden, fühlten sich eins mit der Mannschaft, waren wir geworden – ganz so wie Sönke.

ANDREAS RÜTTENAUER