Palaver soll BenQlern helfen

Politiker wollen eine „Zukunftskonferenz“ zur Rettung der Jobs bei BenQ in Bocholt und Kamp-Lintfort einberufen. Die NRW-Regierung werkelt derzeit „auf Arbeitsebene“ für die Beschäftigten

VON MARTIN TEIGELER

Jürgen Rüttgers war ziemlich empört. Es könne nicht sein, dass sich ein Politiker für einzelne Firmen einsetzt, sagte der damalige NRW-Oppositionsführer Anfang 2002. SPD-Bundeskanzler Gerhard Schröder hatte in bewährter Holzmann-Manier gerade 900 Arbeitsplätze bei einem Waggonbauwerk in Sachsen-Anhalt gerettet. Der Regierungschef glänzte als Arbeiterheld, die CDU-Opposition schäumte.

Heute würde Jürgen Rüttgers seine kritische Äußerung wohl nicht wiederholen. Heute springt Rüttgers selbst als Regierungspolitiker für eine bedrohte Firma in die Bresche. Als vergangene Woche die Meldungen über die drohende Pleite des Handyproduzenten BenQ über die Ticker liefen, war der CDU-Ministerpräsident sofort da. „Wir wollen alles tun, dass sich für Sie und Ihre Familien wieder eine neue Perspektive eröffnet“, sagte Rüttgers bei einer außerordentlichen Belegschaftsversammlung in Kamp-Lintfort am Niederrhein. Auch den BenQ-Beschäftigten im münsterländischen Bocholt versicherte Rüttgers die Solidarität der Landesregierung. Rüttgers attackierte das taiwanesische BenQ-Management und forderte die Verantwortung der Siemens-Chefs ein, die ihre Handy-Sparte vor gut einem Jahr an den ausländischen Investor abgegeben hatten.

Nicht nur die Sorge um 2.000 Jobs in Nordrhein-Westfalen mag den Landeschef nach Kamp-Lintfort getrieben haben. Hatte Rüttgers die Siemens-Arbeiter in Bocholt und Kamp-Lintfort doch 2004 für ihre „patriotische Leistung“ hochgelobt, weil sie sich zur vermeintlichen Rettung ihrer schon damals bedrohten Jobs die 40-Stunden-Woche und Lohneinbußen abpressen ließen. Die „patriotische Leistung“ konnte die Insolvenz nicht verhindern.

„Jürgen Rüttgers und die Landesregierung sind in der Pflicht“, sagt Kamp-Lintforts Bürgermeister Christoph Landscheidt. Der Sozialdemokrat sieht die Hauptrolle zur Rettung möglichst vieler BenQ-Jobs jetzt beim Insolvenzverwalter und bei Siemens. Düsseldorf müsse sich flankierend engagieren, um neue Arbeitsplätze in der Region zu schaffen. „Wir brauchen keine guten Worte und allgemeinen Aussagen, sondern konkrete Zusagen“, so Landscheidt. Mit den Instrumenten der Landespolitik – Fördermitteln und Ansiedlungshilfen – solle die Regierung der Stadt Kamp-Lintfort helfen, in der rund 1.600 Menschen bei BenQ beschäftigt sind.

Die Handyfabrik ist neben dem Bergwerk West der größte Arbeitgeber in einer Stadt mit rund zehn Prozent Arbeitslosigkeit. Die Zeche und den Steinkohlenbergbau will die schwarz-gelbe Koalition in den nächsten Jahren irgendwann abwickeln. Schon deshalb braucht Kamp-Lintfort neue Arbeitsplätze – nicht nur wegen BenQ.

„Auf Arbeitsebene“ laufen derzeit Gespräche in Kamp-Lintfort, sagt ein Sprecher des NRW-Wirtschaftsministeriums. Experten von CDU-Ressortschefin Christa Thoben beraten vor Ort mit dem deutschen BenQ-Management und dem vorläufigen Insolvenzverwalter Martin Prager über Wege, die Produktion weiter aufrecht zu erhalten. Meldungen, wonach der Bonner Handy-Konzern T-Mobile seine Bestellungen bei BenQ auf Eis gelegt habe, seien „überspitzt“, so der Thoben-Sprecher. „Das ist keine Absage von T-Mobile.“ Man wolle die Abnehmer der BenQ-Handys bei der Stange halten.T-Mobile soll mit einigen hunderttausend verkauften Geräten bisher einer der größten Kunden von BenQ sein.

Doch was geschieht, falls alle Rettungsversuche der Landesregierung fehlschlagen? Politiker aus der Region wollen eine „Zukunftskonferenz“ veranstalten, um über die Probleme zu sprechen. Im Ruhrgebiet und in der Emscher-Lippe-Region haben sich Politiker in den letzten Jahren zu ähnlichen Konferenzen getroffen. Der Arbeitsplatzabbau wurde dadurch nicht gestoppt.