Läden, so weit das Auge reicht

Heute öffnet die „Europa Passage“ ihre Pforten. Sie soll scharenweise neue Kundschaft anziehen und muss das auch: Das neue Einkaufszentrum vergrößert die Ladenfläche in der City um ein Drittel

von GERNOT KNÖDLER

Seit heute früh steht die die 430 Millionen Euro teure „Europa Passage“, die die Mönckebergstraße mit dem Jungfernstieg verbindet, der Kundschaft offen. Auf einen Schlag öffnen 120 neue Geschäfte. Die Ladenfläche der City vergrößert sich um ein Drittel. Der Senat hofft, Hamburg unter den Einkaufsmetropolen der Welt damit ein paar Plätze nach vorne zu schieben. Dafür hat er zugelassen, dass der viel gelobte Stadtgrundriss von 1842 zerschnitten und die fein gegliederte Fassadenfront am Ballindamm wuchtig unterbrochen wird.

Gestern sah es bei den meisten Geschäften nicht so aus, als würden die Handwerker den Eröffnungstermin ohne Nachtschicht schaffen. Es wurde gebohrt, gesägt, geklebt, verfugt, und geputzt. In einem Laden waren die Regale schon eingeräumt als die Maler die letzten Pinselstriche anbrachten. In einem Bekleidungsgeschäft, das ebenfalls schon ausgestattet war, kontrollierten Ladendetektive die Taschen der Handwerker, um Wäscheverlusten vorzubeugen. Zwischen Leitern, Kisten und maulenden Handwerkern bereitete eine Agentur den Eröffnungsabend vor, während der Architekt Hadi Teherani eine Schar Journalisten durch sein neuestes Werk führte.

Ein zentrales bauliches Prinzip der Passage ist die Transparenz. Auf drei von fünf Ebenen kann der Besucher von der Mönckebergstraße 160 Meter weit zum Jungfernstieg durchsehen. 21 parabelförmige Stützbögen schaffen einen über vier Stockwerke reichenden Innenraum, der von einem schmalen Glasdach bekrönt wird. Über große Deckendurchbrüche fällt das Licht weit nach unten. Die Eingangsfronten sind ebenso gläsern wie die Brüstungen und der Hauch von einem Aufzug, der in einem anthrazitfarbenen Stahlrohrgestell hängt.

Nicht durchsichtig genug dagegen erscheinen die Glaswände, zwischen denen die Passage die Hermannstraße überquert. Das Glas sollte wenigstens eine Ahnung davon liefern, dass es seit 1842 einen Durchblick vom Rathaus zur Kunsthalle gab. „Ich hätte gerne Weißglas gehabt“, sagt Teherani. Um den Treibhauseffekt zu mildern, hätten sich die Bauherren aber für getöntes Glas entschieden. Mit dem Verbindungsbauwerk verschaffe er den Hamburgern jedoch ein Erlebnis. „Sie sehen plötzlich die Straße in einer ganz anderen Perspektive als sie sie sonst gehabt hätten“, sagt der Architekt.

Im Vorfeld stark umstritten war die alsterseitige Fassade. Ein Neubau war hier notwendig, weil die Fassade des früher dort stehenden Europahauses nicht zu den Deckenhöhen der Passage gepasst hätte. Die Debatte raubte Teheranis Entwurf – eine nach innen gebogene Fensterfront in einer geraden Steinfassade – den Pfiff. Geblieben sind die übergroßen Fenster in wuchtigen Steinkästen, die den Bau neureich wirken lassen.

Das passt zu einer Einkaufspassage diesen Ausmaßes und lenkt den Blick der Einkaufstouristen. Wer den abgeräumten Jungfernstieg entlang flaniert, kann ohnehin kaum anders, als in der Europa Passage zu landen. Der Boulevard führt geradewegs auf deren geschickt kaschiertes Portal zu. Auch vom S-Bahnhof Jungfernstieg aus gelangt man direkt in das Einkaufszentrum.

Am Schnittpunkt der wichtigsten Fußgängerströme gelegen, werde die Passage ein beliebter Treffpunkt werden und „einen wesentlichen Teil der Hamburger Identität ausmachen“, prognostiziert Teherani. „Anders als konventionelle Passagen urbanisiert die Europa Passage eine authentische Straße der Stadt“, sagt der Architekt. Er hätte auch „privatisiert“ sagen können: Die ehemals authentische Paulstraße gehört jetzt den Investoren.