„Wer erwischt wird, hat’s leicht“

KAMPF GEGEN DOPING Der Ire Andy Layhe über seine Initiative Bikepure, das Schlamassel mit dem portugiesischen Radprofi Rui Costa und über die Tricksereien des Tour-de-France-Siegers Alberto Contador, der ein Kälbermastmittel zur Leistungssteigerung genommen hat

■ Der Ire, früher selbst im Querfeldein-Radsport aktiv, hat vor zwei Jahren die Initiative Bikepure ins Leben gerufen, die sich für einen dopingfreien Radsport einsetzt.

INTERVIEW TOM MUSTROPH

Das Ansehen des Profi-Radsports ist im Keller. Um den Star der Branche, Alberto Contador, vor einer Sperre zu schützen, werden Paragrafen gebogen, dass Justitia die Binde von den Augen rutscht. Ein dreimal erwischter Doper wie Danilo di Luca wird mit einem Straferlass bedacht, obwohl er in seinen Aussagen keine Namen nennt. Und um den rückkehrwilligen Mehrfachdoper Davide Rebellin, der mit seiner Vergangenheit und seinen 39 Lenzen wahrlich kein Hoffnungsträger ist, balgen sich die Rennställe, als hinge ihre Zukunft ausgerechnet von ihm ab. Andy Layhe stinkt diese Situation. Der Ex-Mountainbiker, der 2008 gemeinsam mit seinem Kumpel Myles McCorrie die Antidoping-Kampagne Bikepure ( bikepure.org, facebook.com/bikepure ) ins Leben gerufen hat, fordert lebenslangen Ausschluss für hartnäckige Doper und vor allem deren Dealer.

taz: Herr Layhe, Bikepure will lebenslange Sperren, die nur dann reduziert werden sollen, wenn die Betreffenden komplett über Doping aussagen, Namen nennen, Anti-Doping-Aufklärung betreiben und auch die Gehälter und Preisgelder der letzten zwölf Monate zurückgeben. Warum dieser drastische Ansatz?

Andy Layhe: Das gegenwärtige System ist nicht angemessen. Wer erwischt wird, hat es leicht. Er sitzt seine Sperre ab, schweigt und kommt zurück, als sei nichts geschehen. Um diesen Teufelskreis zu durchbrechen, braucht es härtere Maßnahmen. Die lebenslange Sperre sollte man aber erst bei wiederholten Dopingvergehen aussprechen.

Ein Danilo di Luca, der jetzt mit einer reduzierten Sperre davonkommt, weil er ein wenig ausgesagt hat, ist also nicht das richtige Signal?

Das ist eine ganz schlechte Botschaft, vor allem an die jungen Fahrer. Wer keine Namen nennt, sollte auch nicht in den Genuss einer besonderen Behandlung kommen.

Sie glauben noch an die junge Generation, die den Radsport wieder auf den Pfad der Tugend zurückführt?

Es kommt darauf an, welche Signale man den jungen Fahrern gibt und in welches Umfeld sie geraten.

Ein Neuprofi ist doch kein kleines Kind. Er trifft selbst die Entscheidung, ob er die Spritze setzt oder nicht. So ist es doch?

Sicher. Aber viele Jungs haben ein Problem: Sie können nichts anderes. Sie haben jahrelang Radsport betrieben. Hinter ihnen stehen Leute, die den Erfolg sehen wollen. Gute Resultate bringen Geld und neue Verträge. Da kann man verstehen, dass jemand zu leistungssteigernden Mitteln greift. Ein Weg ist, dass die Fahrer auch Alternativen haben, dass sie studieren, einen Beruf erlernen. Hier setzt Bikepure an.

Inwiefern?

Wir wollen das System ändern und reden mit vielen Fahrern. Die zweite, entscheidendere Sache ist aber, dass sich das Umfeld ändert. Ein Fahrer hat eine zehnjährige Profikarriere. Ein Teammanager und ein Arzt können 40, 50 Jahre im Radsport aktiv sein. Die Dopingorganisatoren vom Sport fernzuhalten, ist wichtig. Gleichzeitig sollte man differenzieren. Wenn jemand mit Epo dopt, dann ist das etwas anderes, als wenn er Nahrungsergänzungsmittel nimmt oder Clenbuterol gefunden wird. Das sollte sich auch in den Strafen auswirken.

Alberto Contador sollte also eine mildere Strafe bekommen?

Ich finde schon. Clenbuterol ist seit langem nicht mehr im Umlauf. In Europa ist es in der Landwirtschaft verboten.

Aber Clenbuterol ist doch nicht nur ein Nahrungsmittelzusatz. Es gibt Hinweise, dass Profis Clenbuterol nutzen, um abzunehmen, dabei aber nicht an Muskulatur zu verlieren. Das ist doch eine Manipulation, oder?

Das hat einen leistungssteigernden Effekt, klar. Es steht nicht umsonst auf der Liste der verbotenen Mittel. Aber man muss abwarten. Contador sagt, dass er unschuldig ist. Er hätte allerdings mehr tun können, zum Beispiel seine Werte über einen längeren Zeitraum veröffentlichen. Gerade die Profis, die bei der Tour de France erfolgreich sind, könnten ein gutes Beispiel abgeben. Aber sie tun es nicht. Das ist ein Teil des Dilemmas.

Mit Rui Costa wurde in dieser Woche ein Profi, der sich Bikepure angeschlossen hat, positiv getestet. Welche Auswirkungen hat das auf die Reputation der Kampagne?

Das ist natürlich ein schwerer Schlag. Aber auch hier müssen wir abwarten. Es ist erst die A-Probe geöffnet worden. Auch sein Bruder war positiv. Wir wissen nicht, was los ist. Leider schweigt er auch auf unsere Anfragen.

Wenn Contador in den letzten zwei Jahren auf Bikepure zugegangen wäre, hätten Sie ihn als Vorbild akzeptiert? Und weiter: Wie wären Sie damit umgegangen, dass er nie aufgeklärt hat, was an den Vorwürfen zu seiner Verwicklung in den Fuentes-Skandal dran ist?

Es gab ja weitere Momente des Zweifels in der Vergangenheit. Greg LeMond hat die Werte der maximalen Sauerstoffaufnahmefähigkeit von Contador ausgerechnet. LeMond war der Meinung, dass die Werte nur mit dem Einsatz von leistungssteigernden Mitteln zu erklären sind. Wir hätten mit Contador natürlich gesprochen, um zu sehen, welche Position er hat. Wir hätten Transparenz gefordert. Leider lüftet er seine Geheimnisse nicht.

Sind Sie mit Ihren Forderungen nach Transparenz auf den Radsportweltverband UCI zugegangen?

Wir hatten in der Vergangenheit einen guten Kontakt zur Antidopingbeauftragten Anne Gripper. Nach ihrem Ausscheiden hat sich das leider geändert.

Da hilft es auch nicht, dass Sie wie UCI-Präsident Pat McQuaid in Irland wohnen?

Nein. Man muss aber sagen, dass die Iren mit David Walsh, Autor des Armstrong-kritischen Buchs „LA Confidential“, und Paul Kimmage, der ebenfalls ein Armstrong-kritischer Sportjournalist ist, einiges an Aufklärung über Doping geleistet haben.

Das schwarze Schaf der Iren in Sachen Antidoping ist also ausgerechnet der UCI-Boss?

Pat ist als Person ein feiner Kerl. Aber er ist Politiker geworden, Sportpolitiker.

Und wie reagiert die Weltantidopingagentur Wada?

Hier herrscht ein enger Kontakt. Wir wollen in den nächsten Wochen wieder in die Offensive gehen. Hinter uns stehen 40.000 Radsport-Fans, die unsere Initiative gut finden. Wir sind nicht zu ignorieren. Wir können vielleicht das Problem nicht lösen, aber wir können Teil der Lösung sein.