SVEN HANSEN ÜBER DIE POLITISCHEN ENTWICKLUNGEN IN AFGHANISTAN
: Konzeptlos mit anderen Waffen

Zwei in sich widersprüchliche Meldungen aus und über Afghanistan haben diese Woche aufhorchen lassen: Erstens hat die afghanische Wahlkommission fast ein Viertel der bei der Parlamentswahl am 18. September abgegebenen Stimmen wegen Betrugs annulliert. Das kann als Zeichen für entschiedenes Vorgehen gegen Manipulation positiv gewertet werden; oder negativ als Zeichen für deren große Verbreitung, was die ganze Wahl komplett infrage stellt. Zweitens wurde bekannt, dass die Nato Unterhändlern der Taliban freies Geleit gab, sie sogar in einem Nato-Flugzeug nach Kabul flog. Zugleich jagt und tötet das Bündnis aber weiter Taliban-Führer – in dieser Woche etwa im deutschen Einsatzgebiet in Baghlan.

Zusammengenommen zeigen diese Meldungen die Schwäche des politischen Prozesses in Afghanistan. Was dort passiert, ist höchst fragil. Demontierte schon 2009 der massive Wahlbetrug die Glaubwürdigkeit des Präsidenten Hamid Karsai und des von ihm repräsentierten politischen Systems, so setzt sich dies jetzt mit der Parlamentswahl fort. Deren Endergebnis wurde auf unbestimmte Zeit verschoben.

In den kommenden Wochen wird in Hinterzimmern verhandelt und gerungen werden, was trotz kleiner Hoffnungsschimmer die Glaubwürdigkeit der jungen afghanischen Demokratie weiter diskreditieren dürfte – wie auch ihrer unter Betrugsverdacht (und unter dem Schutz der Nato) stehenden Vertreter.

Und die Nato setzt weiter auf ihre Militäroffensive und räumt zugleich den von Karsai favorisierten Verhandlungen Raum ein. Ohne Waffenstillstand bleibt dem Bündnis kaum anderes übrig, als mit einigen Taliban zu reden und andere weiter töten zu lassen. Ein politisches Konzept ist das nicht. Und die kriegsmüden Afghanen kann es ebenso wenig überzeugen.

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