Die PDS-Boygroup löst sich auf

Statt Stefan Liebich soll Carola Bluhm die Linkspartei-Fraktion leiten. Sie versteht ihre Wahl als Signal für mehr weiblichen Einfluss. Koalitionsgespräche begonnen

Ein Teenager war mitverantwortlich. „Gestern ist mein jüngstes Kind 18 Jahre alt geworden“, sagte Carola Bluhm am Mittwoch. Deshalb sei es für sie „ideal“, jetzt an die Spitze der Linkspartei-Fraktion aufzurücken. Damit übernimmt die 43-Jährige nicht einfach den Job ihres Vorgängers Stefan Liebich. Bluhm will ihre voraussichtliche Wahl am 17. Oktober auch als politisches Signal verstanden wissen: „Es geht um die Repräsentanz von Frauen in Führungspositionen.“

Ähnlich formulierte das Liebich, der nach fünf Jahren als Fraktionschef Freunden und Familie „mehr Zeit widmen“ will. Ein „Netzwerk von Frauen“ in der Partei habe auf mehr weiblichen Einfluss gedrängt. Bislang lenkte ein von Medien als „Boygroup“ bezeichnetes Führungstrio die Aufmerksamkeit auf sich: Fraktionschef Liebich, der Landesvorsitzende Klaus Lederer und Wirtschaftssenator Harald Wolf. Liebich kommentierte seinen Abgang so: „Ich möchte meinen Beitrag leisten, dass unsere Boygroup eine Chefin bekommt.“

Bluhm hat das Linkspartei-Konzept für die sogenannte Einheitsschule erarbeitet. Im Wahlkampf war die geforderte Zusammenlegung von Haupt- und Realschulen umstritten. Dem innerparteilichen Ansehen der gelernten Soziologin hat das nicht geschadet. Die Partei traut Bluhm zu, die geschrumpfte Fraktion zu disziplinieren. Eine SPD-PDS-Koalition hätte nur eine Stimme Mehrheit im Abgeordnetenhaus. Bluhm war bereits von 1995 bis 2001 Fraktionsvorsitzende.

Mit ihrer Nominierung haben sich Gerüchte erledigt, die gebürtige Ostberlinerin könne aus den gestern begonnenen Koalitionsgesprächen als neue Bildungssenatorin hervorgehen. Mittlerweile gilt als sicher, dass Wirtschaftssenator Harald Wolf im Amt bleiben kann. Der Spitzenkandidat im Wahlkampf hatte sich harsche Kritik dafür anhören müssen, nachdem die Partei um fast zehn Prozentpunkte auf 13,4 Prozent abgestürzt war.

Das war Wolf nicht anzusehen, als er gestern mit den Spitzen von SPD und Linkspartei die Ergebnisse des ersten Koalitionsgesprächs präsentierte. Bereits Ende Oktober, erklärte SPD-Landes- und Fraktionschef Michael Müller, soll der Koalitionsvertrag stehen. Spätestens Mitte November könnte dann Klaus Wowereit im Abgeordnetenhaus zum Regierenden Bürgermeister gewählt werden. Am kommenden Mittwoch wollen die neun SPD- und zwölf Linkspartei-Vertreter zum zweiten Mal zusammenkommen. Inzwischen bilden sich neun Arbeitsgruppen, die der großen Verhandlungsrunde zuarbeiten sollen. Wowereit selbst leitet auf SPD-Seite die Arbeitsgruppe, die sich mit dem Verhältnis von Senatsverwaltungen und Bezirksämtern befasst.

Über etwas wollten die Landespolitiker gestern nur ungern reden: die anstehende Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts. Am 19. Oktober verkünden die Karlsruher Richter ihr Urteil zu Berlins Klage auf Haushaltshilfen vom Bund. Wie das Gericht entscheidet, gilt als unklar. SPD-Chef Müller sagte, nicht alle Koalitionsvereinbarungen stünden unter Finanzierungsvorbehalt: „Man muss nicht alles besser ausstatten, um Dinge besser zu machen.“

MATTHIAS LOHRE