Gesetze gelten auch für Soldaten
: KOMMENTAR VON BETTINA GAUS

Opfer von Menschenrechtsverletzungen haben in einem Rechtsstaat einen Anspruch darauf, dass alle Beteiligten und Verantwortlichen zur Rechenschaft gezogen werden – und zwar unabhängig von ihrer Stellung, von Sicherheitserwägungen oder von politisch-taktischen Überlegungen. Deshalb muss so schnell wie möglich geklärt werden, ob die Vorwürfe zutreffen, die der ehemalige Guantánamo-Häftling Murat Kurnaz aus Bremen erhebt. Aber nicht nur deshalb. Sondern auch, weil in Sicherheitsbehörden und beim Militär nicht der Eindruck entstehen darf, Gesetze hätten für sie nur eingeschränkte Gültigkeit.

Die Frage ist allerdings, ob dieser Eindruck nicht längst entstanden ist. Es ist natürlich vorstellbar, dass Kurnaz nicht die Wahrheit sagt. Die Unschuldsvermutung gilt auch für Soldaten und Mitarbeiter von Geheimdiensten. Aber leider hat sich in den letzten Monaten schon allzu vieles als zutreffend herausgestellt, was man vorher nicht hätte für möglich halten mögen. Kein Zweifel kann mehr daran bestehen, dass Dienste und Regierung gerne kollateralen Nutzen aus Menschenrechtsverletzungen gezogen haben. Das lässt deren öffentliche Geißelung als Lippenbekenntnis erscheinen. Und erhöht die persönliche Glaubwürdigkeit von Murat Kurnaz.

Die Art und Weise, in der Menschen behandelt wurden, die zur falschen Zeit am falschen Ort waren, ist schon jetzt ein Skandal. Sollten deutsche Soldaten den jungen Türken aus Bremen misshandelt haben, dann wäre das ein weiterer Verstoß gegen die Menschenrechte. Aber eben nur ein weiterer Verstoß. Die neuen Vorwürfe sind eine quantitative Erweiterung des Untersuchungsauftrages an das Parlament. Keine qualitative.

Es wäre ein Trost, könnte man wenigstens den Eindruck gewinnen, dass Politik, Sicherheitsdienste und Militär über die Vorgänge hinreichend entsetzt sind, um sofortige Konsequenzen zu ziehen. Das ist nicht der Fall. Erst vor einigen Tagen wurden Bundestagsabgeordneten erneut detaillierte Auskünfte über die Aktivitäten deutscher Elitesoldaten in Afghanistan verweigert. So schafft man ein Klima, in dem Rechtsbrüche für rechtens gehalten werden.