Zweifelhafte Verbindung

FUSSBALL Der Ex-Eigentümer des Spitzenklubs Vitesse Arnheim behauptet, auf Weisung des Kooperationspartners FC Chelsea dürfe der Verein nicht die niederländische Meisterschaft gewinnen

Es ist in der Tat auffällig, dass es für Vitesse Arnheim zuletzt trotz guter Ausgangspositionen nie zum Titel der Erendivisie reichte

AMSTERDAM taz | Die Aufregung um den niederländischen Spitzenklub Vitesse Arnheim ist dieser Tage groß: „Vitesse darf kein Meister werden“, behauptete der ehemalige Eigentümer Merab Jordania Anfang der Woche in einem Interview mit der Boulevardzeitung Telegraaf. Verantwortlich dafür sei eine Vorgabe des FC Chelsea, mit dem die Arnheimer zusammenarbeiten. Seit Jahren parkt Chelsea seine Talente auf Leihbasis in Arnheim – vier Spieler sind es im aktuellen Kader. Der Geschäftsmann Jordania, selbst ein ehemaliger Fußballer, Spielervermittler und Leiter des georgischen Fußballverbands, sagte, eine Anweisung aus London habe trotz guter Ausgangspositionen in den vergangenen Jahren den Titelgewinn der Arnheimer verhindert. Chelsea habe nicht mit der Uefa in Konflikt kommen wollen. Deren Reglement besagt, dass zwei Klubs des gleichen Besitzers nicht am selben Wettbewerb teilnehmen dürfen.

Just diese Frage steht nun im Zentrum der vermeintlichen Affäre: seit Oktober nämlich gehört Vitesse, einer der ältesten Klubs der Niederlande, dem Russen Aleksander Tschigirinsky, einem Freund von Chelsea-Besitzer Roman Abramowitsch. Tschigirinsky hatte Jordania seine Anteile abgekauft. Zuvor war der Georgier drei Jahre der starke Mann in Arnheim gewesen. Er hatte dem Kader zahlreiche Neuzugänge spendiert und mit seinem Geld nicht nur Glamour ins doch recht bodenständige Arnheim gebracht, sondern beim Anhang des Traditionsklubs auch reichlich Titelhoffnungen genährt.

Weil dieses Ziel durch die Vorgaben des Londoner Mutterbetriebs vereitelt worden sei, habe Jordania sich zurückgezogen. Unklarheit herrscht aber nicht nur über die finanziellen Verbindungen zwischen Tschigirinsky und Abramowitsch: auch über Jordanias Verbindung zum mächtigen Mäzen an der Stamford Bridge wurde in Arnheim des Öfteren spekuliert. Beide sollen befreundet sein. Schon früher wurde gemunkelt, dass Abramowitsch Jordania mit Geldspritzen hilfreich zur Seite gestanden hätte.

Es ist in der Tat auffällig, dass es für Vitesse Arnheim zuletzt trotz guter Ausgangspositionen nie zum Titel der Erendivisie reichte. Auch in diesem Jahr wird aller Voraussicht nach Ajax Amsterdam wieder das Rennen machen – zum vierten Mal in Serie. Doch ist allein das ein ausreichender Verdachtsmoment? Und der Vorwurf Jordanias, Vitesse habe seinen ivorischen Topscorer Wilfried Bony an Swansea City verkauft, da dieser zu viele Tore machte und so die Vorgabe aus London gefährdete – ist das stichhaltig oder absurd? Die Verbindung zwischen Chelsea und Vitesse lässt sich nicht von der Tatsache lösen, dass die niederländische Liga, ebenso wie die belgische oder portugiesische, im internationalen Fußball mehr und mehr ein Showroom geworden ist, den man, sobald sich ein Kontrakt in England, Spanien oder Deutschland abzeichnet, auf dem schnellsten Weg wieder verlässt. Nach diesem Muster ist auch der schnelle Abgang Bonys 2013 nicht wirklich ungewöhnlich – ebenso wenig übrigens wie Farmteam-Modelle zwischen niederländischen oder belgischen und englischen Klubs.

Dementis gab es übrigens von beiden Kooperationspartnern: „Ein Aprilscherz“, wies Vitesse Arnheim die Anschuldigungen prompt kategorisch zurück. Der Aufsichtsrat des Klubs betonte, Vitesse habe keinerlei Verbote, Titel zu gewinnen. Auch aus London kam umgehend ein Statement. „Vitesse ist ein unabhängiger Club. Die von uns ausgeliehenen Talente profitieren vielmehr davon, wenn sie an der Champions League teilnehmen.“ Weitere inhaltliche Äußerungen lehnte Chelsea bislang ab. Der niederländische Fußballverband KNVB will sich damit allerdings nicht zufriedengeben. „Im Interesse der Integrität der Meisterschaft“ richtete man am Dienstag einen Ersuch an Vitesse Arnheim, dem Verband „Einblick in seine Organisationsstrukturen und in die Zusammenarbeit mit Chelsea zu gewähren.“ Nach einem Gespräch mit dem Klub behält der KNVB sich vor, weitere Untersuchungen einzuleiten.

Rückendeckung bekommt Jordania unterdessen vom ehemaligen technischen Direktor von Vitesse, Ted van Leeuwen. Er erklärte:„Für Chelsea zählt nur das Entwickeln ihrer Spieler“, sagte er im niederländischen Rundfunk. „Bei Vitesse bezahlt Chelsea eininen großen Teil der Spielergehälter. Also ist Chelsea der Boss.“ TOBIAS MÜLLER