Der diskrete Charme des Proletariats

FISCHESSEN Ein kleiner Bremerhavener Fischimbiss wird im Hamburger Food-Magazin „Effilee“ auf eine Stufe mit einem Top-Restaurant in Kopenhagen gestellt. Bei „Heidi Lachs“ gibt es ganz klassisch Backfisch und Kartoffelsalat, bestellt wird am Tresen. Die Kundschaft rekrutiert sich vor allem aus Arbeitern des Fischereihafens

AUS BREMERHAVEN LENA KAISER

Das Hamburger Food-Magazin Effilee stellt den Fischimbiss „Heidi Lachs“ in Bremerhaven auf eine Stufe mit dem „Noma“ in Kopenhagen – vom britischen Restaurant Magazine immerhin dreimal zum „besten Restaurant der Welt“ gewählt. Drei von fünf möglichen Punkten gaben die Tester von Effilee an „Heidi Lachs“, drei an das „Noma“ – für die Dänen und ihre radikal regionale Küche eine Abreibung, für die kleine Bremerhavener Fischküche ein großes Lob.

Der diskrete Charme des Proletariats befindet sich inmitten Fisch verarbeitender Betriebe und Packhallen. Obwohl immer mehr Fisch importiert wird, ist Bremerhaven noch heute der wichtigste Fischereihafen bundesweit. Der Stadt hat das den Spitznamen „Fischtown“ und ihren Bewohnern die Verunglimpfung „Fischköppe“ eingebracht.

Zwei Männer fahren mit dem Auto vor, steigen aus und betreten den Laden. „Moin, moin“, sagt der eine. „Einmal Backfisch bitte – mit Kartoffelsalat, und eine Cola.“ Der andere entscheidet sich für das „Fischfilet Matrosenart“. Hier in den Gefilden des Fischereihafens bestellt man sich seinen Fischteller immer noch standesgemäß am Tresen. Im Angebot gibt es Brathering, Fischfilet, Räucherfisch oder den Klassiker: Backfisch im Bierteig. Und, so steht auf einer Tafel an der Wand, jetzt neu: das Fischerfrühstück, Schwarzbrot mit Krabben und Spiegelei.

Die Gäste, das ergibt sich schon aus den Öffnungszeiten (montags bis freitags, 8 bis 15 Uhr), sind vor allem Mitarbeiter der umliegenden Fisch- und Lebensmittelwirtschaft und der Windenergiebranche, die sich unweit der Fischmeile angesiedelt hat.

Die beiden Restaurantbesucher setzen sich an einen Tisch neben den Heizpilz, der mitten im gekachelten Speisebereich steht. In der Küche steigt etwas Qualm von den großflächigen Bratplatten auf. Die Köchin wendet die Filets. Ab und zu klingelt das Telefon, sie nimmt Bestellungen entgegen. Manche Kunden holen das Mittagessen lieber ab. Wie die Frau mit der rosa Jacke und den hochgesteckten Haaren, die nun den Laden betritt und zielstrebig auf den Tresen zusteuert. Die Fischverkäuferin hat den vorbestellten Fisch in Papier gewickelt und in eine Plastiktüte gepackt.

Den ausladenden Teller hat der französische Soziologe Pierre Bourdieu mal als Geschmacksmerkmal der unteren Klassen beschrieben – im Gegensatz zur kleinen Platte und ihrer Distanz zum Notwendigen. Bei „Heidi Lachs“ wird der Teller in Gestalt einer fischförmigen Servierplatte an den Platz gebracht. Der darauf drapierte Backfisch ist mit einem knusprigen Bierteig ummantelt.

Sticht man mit der Gabel in die Kruste hinein, kommt darunter das nicht ganz magere, aber sehr weiche Fischfilet zum Vorschein. Mit der leicht nussigen Note ist das geschmacklich geradezu perfekt. Dazu gibt es Remoulade und als quasi ideale Ergänzung wahlweise Kartoffelsalat (zusammen fünf Euro) oder Bratkartoffeln (kostet 50 Cent mehr). Am besten passt die klassische Variante mit Mayonnaise und Gurkenstückchen.

„Hat es ihnen geschmeckt?“, fragt ein Mitarbeiter von „Heidi Lachs“ im Vorbeigehen, bevor er in einer Tür verschwindet. Wer noch nicht genug hat, kann praktischerweise noch am Kühltresen zuschlagen und auch noch den Räucherfisch fürs Abendbrot mitnehmen. In der Auslage liegen Lachs, Makrele, Stremellachs, Hering und ein letztes Fischbrötchen.

Nach dem Besuch empfiehlt sich ein Gang über den nahe gelegenen Lunedeich. Das hat den angenehmen Nebeneffekt, dass sich der Brat-Fischgeruch aus den Kleidern lüften lässt.

„Heidi Lachs“, Am Lunedeich 78, 27572 Bremerhaven