„Das ist die totale Frauenfantasie“

ROLLEN Die Schauspielerin Victoria Trauttmansdorff spielt ältere Frauen, die Verlangen nach jüngeren Männern haben. Ein Gespräch über den Geruch der Jugend, Nacktheit auf der Bühne und die Angst vorm Verfall

■ 53, ist Schauspielerin am Hamburger Thalia Theater. Dort spielt sie derzeit die Veronika in der Inszenierung „Die Sehnsucht der Veronika Voss“. Voss ist ein einstiger Filmstar, der sich in eine Affäre mit einem jüngeren Reporter stürzt. In dem Film „Stiller Sommer“, der am 10. April in den Kinos anläuft spielt Trauttmansdorff die Aussteigerin Barbara, die erotisches Interesse am Sohn einer Bekannten entwickelt.

INTERVIEW FRIEDERIKE GRÄFF

taz: Wie viele Frauen mit jüngeren Partnern kennen Sie, Frau Trauttmansdorff?

Victoria Trauttmansdorff: Eine, warten Sie, wenige. Manche der Männer sind ein, zwei Jahre jünger, einer zehn.

Hat Sie das in der Außensicht beschäftigt?

Nein, weil dieser Mann älter aussieht als die Frau. Ich glaube, dass es bei ihnen keine Rolle spielt.

Sie spielen in der „Sehnsucht der Veronika Voss“ und in dem Film „Stiller Sommer“ jeweils eine Frau mit Verlangen nach einem jüngeren Mann. Ist das zunehmend eine Wunsch-Konstellation?

Für die Frauen ganz sicher. Bei den Männern ist das mittlerweile Usus, jeder dritte 50-Jährige gründet eine neue Kleinfamilie, das kenne ich zuhauf um mich herum.

Rein statistisch sind die meisten Paare gleich alt. Vermutlich sind es die Männer mit einem gewissen sozialen Status, die die Möglichkeit haben, jüngere Frauen an sich zu binden.

Ich glaube, bei Frauen ist es das Gefühl: Die Jugend ist etwas Herrliches, es ist herrlich, junge Menschen um sich zu haben, sie riechen frischer, haben andere Energien, sind weniger enttäuscht. Im Film ist es auch ein Spiel mit den Klischees: Sonst reden Männer über Frauen in der Art von „Wie knackig ist die“ und plötzlich sprechen die Frauen so.

Es folgt der Logik, die man normalerweise den Männern vorwirft: Da ist nach 30 gemeinsamen Jahren ein glatter Körper plötzlich das bessere Argument.

Es ist ja auch schön. Aber – ich weiß nicht: Ich glaube, ich hätte auch Hemmungen, wenn da so ein schöner, unverbrauchter Mensch neben mir läge. Da muss die Zuneigung schon stimmen. Im Film geht das Interesse ja von dem jüngeren Mann aus, das ist die totale Frauenfantasie.

Zumindest wird sie gerade von diversen Regisseurinnen in Szene gesetzt.

Es wäre herrlich, wenn das eine Mode werden würde. Wenn Falten bei Frauen plötzlich Mode würden. Bei Männern sagt man es doch so: das Gesicht, so schön verbraucht, herb, markant. Frauen tun bis jetzt ja alles, um das zu vermeiden. Ich finde im „Stillen Sommer“ schön, dass alles so unbewertet ist. Die Gefühle sind auf jeden Fall gegenseitig. Ganz anders geht es in dem Film „Paradies Liebe“, von Ulrich Seidl um Frauen, die nach Afrika fahren und sich einheimische junge Männer suchen.

Man könnte die Reisen dieser Frauen als Akt der Befreiung sehen – warum tut man es nicht?

Ab wann ist die Frau verletzbar? Das zeigt der Film von Seidl ja sehr gut. Die Frau fährt dorthin und verliebt sich. Männern geht es eher um den Sex. Ich habe letztes Jahr in Thailand gedreht und da bleibt dir die Spucke weg. Dieser Deal von Frauen, die sich anbieten, und Männern, die kaufen. Die Männer sind alt und hässlich und die Frauen sind extrem jung und sehen noch viel jünger aus. Ob Frauen das auch so machen könnten? Oder ob das nur unsere Erziehung ist, dass wir oft denken, Liebe und Sexualität geht zusammen.

Die Figur der Barbara im „Stillen Sommer“ hat eine große Leichtigkeit, während Veronika Voss eine tragische Figur ist, die ihrer Vergangenheit hinterherläuft. In welche Rolle haben Sie sich mit mehr Freude geworfen?

Es ist schwierig zu beantworten, weil das eine Film und das andere Theater ist. Das Leichtere bin eher ich, ich bin kein Suchtmensch wie die Veronika, die nur Sucht ist. Das eine fällt mir leichter und das andere reizt mich mehr.

Diese Barbara verströmt eine Heiterkeit, bei der man denkt, dass es Spaß gemacht haben muss, sie zu spielen.

Ich habe es geliebt. Es war auch so ein schöner Drehort, wir haben ewig in diesem Haus gesessen, ich habe mich sehr gut mit Dagmar Manzel, die die Hauptrolle spielt, verstanden. Und dieses nächtliche Schwimmen war sehr lustig.

Die Regisseurin Nana Neul ist zum Drehen in das südfranzösische Dorf gegangen, wo ihre eigene Mutter wohnt.

Da wohnen wirklich solche Barbaras, die gerne rauchen, gerne trinken, dann kommt ein Typ, dann der nächste. Sehr offene Frauen, die nicht wirklich frustriert wirken.

Also attraktive Ausstiegsmodelle?

Klar. Wobei die Realität sicher auch mal anders aussieht: Es ist da kalt im Winter, die Hunde scheißen ins Haus, das Geld geht aus und der Strom fällt aus. Da sitzt man dann vier Monate allein und niemand kommt vorbei.

Bei Ihnen kann davon keine Rede sein: Sie sind als Schauspielerin gefragt – und das zu- statt abnehmend.

Stimmt. Eigentlich erstaunlich. Ich habe einfach Glück gehabt im letzten Jahr. Vielleicht ist es aber auch zunehmend ein Thema: dass man nicht nur die 30-Jährigen sehen will. Das Gros der Zuschauer im Theater ist so alt wie ich oder älter und die wollen auch Identifikationsfiguren sehen. Wir hatten lang diesen Jugendwahn. Ich erinnere mich, dass wir am Thalia 2000 ein Stück hatten über eine 30-jährige Frau, die verzweifelt noch ein Kind bekommen wollte. Da denkst du: Die ganzen Frauen bekommen doch mit Mitte 40 noch Kinder.

Oft liefert die eigene Familie ja Vorbildfiguren oder auch Abschreckendes. Wie war das bei Ihnen?

Das waren zum Teil entwurzelte Frauen. Meine Mutter und ihre Schwestern waren als Holländerinnen Ausländerinnen in Österreich. Sie waren in England groß geworden, sie waren viel moderner. Als ich Kind war und meine Mutter mich in der Schule abholte, habe ich mich immer geschämt. Es war eine sehr konservative Zeit und sie trug wilde Zottelmäntel und Pelzschals um den Kopf und rief laut „Hallo“ durch die Schule. Die anderen Kinder fragten: „Ist das deine Mutter?“, und ich sagte: „Nein, das ist meine Tante.“

Und wie sind diese Frauen gealtert?

Die österreichischen Tanten hatten irgendwann einfach völlig selbstverständlich graue Haare. Sie waren mit 50 schon ältere Frauen und hatten kein Problem damit.

Um die Gelassenheit beneidet man sie.

Und gleichzeitig ist es schade – sie waren so alt wie ich jetzt. Sie fügten sich so ganz in das, was von ihnen erwartet wurde. Junge Frau: sexy, Ehefrau: okay, Mutter erwachsener Kinder: vorbei. Natürlich hat es etwas Entspanntes, wenn man nicht die ganze Zeit darüber nachdenkt, ob man Falten hat und wie man ausschaut.

Man steigt aus dem Wettbewerb aus.

Genau. Das haben meine Mutter und ihre Schwestern nicht gemacht. Ihr Leben war lustiger und erlebnisreicher. Aber auch schwieriger, weniger verwurzelt. Meine Mutter hat, weil mein Vater kaum Geld verdient hat, immer gearbeitet, was in der Gesellschaftsschicht damals niemand gemacht hat. Wäre sie 20 Jahre später geboren, hätte sie sicher eine Riesenkarriere gemacht.

Als was hat sie gearbeitet?

Sie hatte Schauspiel studiert, dann wurde ihr nach der Hochzeit von meinem Großvater verboten, aufzutreten. Schließlich hat sie angefangen, Vorhänge zu nähen. Diese englischen gefütterten, die wie eine Dämmung waren und für die österreichischen Schlösser sehr praktisch. Das hat ihr eine Kusine nachts beigebracht. Sie hat dann angefangen, Häuser einzurichten und schließlich den Museumsshop für das Schloss Belvedere geführt.

Als Sie in ihre Schauspiel-Fußstapfen traten, haben Sie sich einen Beruf ausgesucht, in dem das Altern oft schwierig ist.

Am Theater ist es nicht so. Es gibt eine Phase, wo nicht so viele tolle Rollen da sind, aber dann gibt es auch wieder viele. Jemand wie Barbara Nüsse, die ich sehr verehre, spielt noch so viel tolle Rollen. Aber wenn ich ganz ehrlich bin, habe ich trotzdem Angst: Vor meinem eigenen Verfall, das finde ich viel bedrohlicher.

Welcher Art von Verfall?

Der körperliche sowieso, die Angst, dass mein Körper nicht mehr so funktioniert, wie ich es mir wünsche, aber auch vor der Haut, die nicht mehr spannt. Vor dem Gesicht, das hängt, vor der Überlegung, was ziehst du an. Heutzutage ist das schwieriger geworden, ich ziehe mich ja fast so an wie meine Töchter. Meine Großmutter trug ein Kostüm, das ist natürlich ein besserer Schutz vor dem Alter. Durch den Wahn, jung auszusehen, geben wir uns ja auch so preis.

Was hat es für Sie bedeutet, sich als Barbara und Veronika mit wenig Kleidung oder nackt zu zeigen?

Gestern haben sie am Theater meinen Bademantel falsch gehängt, da musste ich noch einmal im Negligé über die Bühne gehen. Ich schäme mich da nicht. Ich möchte nicht nackt gehen, aber so ist es ja geschützt. Beim Film war es eine Mutfrage, ich habe gesagt, das machen wir jetzt, habe mich ausgezogen und bin ins Wasser gesprungen.