Machtwechsel

Montenegros Premier Djukanović übergibt sein Amt auf dem Höhepunkt seiner Popularität einem Nachfolger

SARAJEVO taz ■ Es ist ein erstaunlicher Schritt des montenegrinischen Premierministers Milo Djukanović, sich jetzt aus der vordersten Front der Politik zurückzuziehen. Welcher Politiker bringt es schon fertig, auf dem Höhepunkt seiner Macht und Popularität freiwillig abzutreten? Der seit 15 Jahren an der Spitze des Staates stehende ehemals jüngste Regierungschef Europas, der starke Mann des kleinen Balkanstaates Montenegro, der sein Land aus der Umklammerung des Nachbarlandes Serbien gelöst und in die Unabhängigkeit geführt hat, brachte dies jetzt fertig. Dabei ist er erst 44 Jahre alt. Gestern übergab Djukanović den Posten des Premierministers an den wenig bekannten bisherigen Justizminister Željko Šturanović (46). Er bleibt aber Vorsitzender seiner Partei DPS.

Über die Gründe des Rücktritts wird heftig spekuliert. So soll Djukanović immer noch Untersuchungen über einen Zigarettenschmuggel in den 90er-Jahren fürchten müssen. Andere gehen davon aus, dass der Ex-Premierminister endlich Geld in der Wirtschaft verdienen will. Vor allem russisches und italienisches Kapital drängt in das Land, Russen kaufen Häuser und Hotels, russische Touristen haben den traditionellen Verbündeten des Zarenreiches am Mittelmeer wieder entdeckt.

Wahrscheinlich aber ist Djukanović nur amtsmüde. Die Niederungen der Realpolitik, die Kleinarbeit beim wirtschaftlichen und politischen Aufbau des Landes interessieren ihn nach den Ausflügen in die große Politik offenbar nicht mehr. Nach der Unabhängigkeit fällt auch das Argument weg, Serbien behindere den Fortschritt Montenegros und die Integration in die EU. Ab jetzt werden alle Unzulänglichkeiten der Regierung seiner Partei angerechnet werden, die über die absolute Mehrheit verfügt. Sieht man vom Tourismus an der Küste ab, sind weite Teile des Hinterlandes wirtschaftlich und von der Infrastruktur her in einem katastrophalem Zustand. Da ist es für Djukanović bequemer, als graue Eminenz erst mal abzuwarten.

Unwahrscheinlich ist aber, dass er die politischen Ambitionen für alle Zeiten aufgegeben hat. Denn er ist ein Vollblutpolitiker. In knapp zwei Jahren muss das Amt des Präsidenten neu besetzt werden. Und dann könnte er für fünf Jahre auf seinen Lieblingsposten zurückkehren und das Land in die EU führen.ERICH RATHFELDER