Fußball im Spannungsfeld

AUSTAUSCH Jüdische und arabische Fans besuchen Werder: Erfahrungen in einem Dreiecks-Verhältnis

Er habe den Kontakt zu Bremer Arabern vermisst, sagt Walied vom FC Bnei Sachnin

Zum zweiten Mal hat das Fan-Projekt Bremen ein Austausch-Programm mit Israel durchgeführt. Auf israelischer Seite nahmen 12 Fußball-Aktivisten teil, darunter vier arabisch-stämmige Israelis und acht Teilnehmer aus jüdischen Familien. In Israel selbst ist das zahlenmäßige Verhältnis zwischen arabischer und jüdischer Bevölkerung sogar eins zu vier. „Uns ging es dabei auch um den Dialog zwischen den Fans verschiedener Herkunft“, sagt Thomas Hafke, der Leiter des Fan-Projekts.

Bei einem Abstecher nach Berlin und Bergen-Belsen stand viel Geschichte, aber auch Gegenwart auf dem Programm: Nach dem Besuch der KZ-Gedenkstätte kam es beispielsweise zu einem Treffen mit Mitgliedern des jüdischen Vereins TuS Makkabi Berlin. Bei all’ diesen Aktivitäten habe er keine relevanten Unstimmigkeiten zwischen arabisch- und jüdischstämmigen Teilnehmern erlebt, sagt Hafke. In Bergen-Belsen habe es „sehr einvernehmlich“ ein gemeinsames Totengedenken gegeben.

Allerdings wird das Gesamtprogramm von manchen als „zu politisch“ beurteilt. Alaa vom FC Bnei Sachnin, dem größten arabischen Fußball-Verein Israels, sagt, er habe sich sehr gefreut, in Bremen engagierte Leute zu treffen. Er selbst sei „politisch allerdings nicht interessiert“. Koby, ebenfalls ein arabisch-stämmiger Israeli, ergänzt: „Ich hatte erwartet, dass es mehr um Fußball geht, weniger um Politik.“ Das Programm beinhaltete Spiele von Bundesliga und Champions League, war aber in der Tat kein rein Fußballerisches – sondern verknüpfte geschickt und vielfältig die sportlichen mit den politischen Aspekten. Im Werder-Museum gab es Informationen über die Geschichte des jüdischen Fußballs, auch eine Führung im Berliner Olympia-Stadion war eine Lehrstunde in Sportpolitik. Das alles stieß bei den meisten offenbar auf großes Interesse – allerdings hätte er gern auch Kontakt zu arabischen Bremern gehabt, sagt Walied, ebenfalls bei Bnei Sachnin aktiv, dem israelischen Meister von 2004 – etwa in Gestalt eines gemeinsamen Moschee-Besuchs.

Adam wiederum ist Aktivist bei Hapoel Katamon Jerusalem, der 2007 von Fans gegründet wurde: Ihn interessiert die Übertragbarkeit der Bremer Erfahrungen auf den eigenen Verein. „Fußball ist ein Mikrokosmos der Gesellschaft“, betont Adam, insofern sei der Kampf gegen Rassismus auch in den Stadien auszutragen. Dass das in Deutschland, etwa bei Werder, offensiv passiere, sei in Israel kaum bekannt. Umso „inspirierender“ seien die in Bremen gemachten Erfahrungen. Da Hapoel Katamon immer noch seinen überwiegend linksliberalen Fans gehört, könnten diese ihre Ideen leichter umsetzen, sagt Zohar Milchgrub, der während des Austauschprogramms als Übersetzer schwer gefordert war. Hapoel Katamon organisiert die „Liga der Viertel“, in der Kinder auch aus Ost-Jerusalem spielen und Hebräisch-Kurse für äthiopische Immigranten. 2008 wurden die ersten Kontakte zu Werder geknüpft.

Sagi Dukhan betont, während des Aufenthalts viel über die deutsche Geschichte gelernt zu haben. Ihn habe positiv überrascht, wie viele anti-antisemitische Aktivitäten es in Deutschland gebe. Im Übrigen sei es „ein wunderbares Gefühl“ gewesen, während des anderthalb wöchigen Austauschs ständig von vielen Gastgebern begleitet zu werden. Bis zu 20 Werder-Fans waren bei den diversen Aktivitäten dabei. Auch Walied betont: „Ich habe mich hier nie allein gefühlt.“

Unbefriedigend blieb jedoch die Genderfrage: Während auf bremischer Seite immerhin drei Frauen teilnahmen, bestand die israelische Gruppe ausschließlich aus Männern – wie bereits im Vorjahr. Hafke verweist darauf, dass in Israel die Stadien weitgehend männerdominiert seien: „Das ist dort so, wie es bei uns in den Achtzigern war.“ Heute seien in den deutschen Stadien etwa ein Drittel Frauen, was wesentlich zum rasanten Anstieg der Zuschauerzahlen beigetragen habe – „vielleicht wird es in Israel eine ähnliche Entwicklung geben“. Die Beteiligung von israelischen Frauen am Austausch sei angestrebt. Zunächst sei jedoch vorrangig gewesen, solche Treffen „überhaupt zu Stande zu kriegen“. Im März soll es zunächst einen Gegenbesuch geben HENNING BLEYL