CHRISTEL BURGHOFF GENERATION CAMPER: Träume hinter alten Mauern
Kirchen und Kathedralen als Weltkulturerbe, als Konzert- und Kunsträume – irgendwann ließ meine Aversion gegen „Gotteshäuser“ nach. Man kann sich gut und geschützt hinter dicken, alten Mauern fühlen. Kann sich manchmal auch ausruhen, das Gefühl eines besonderen Raums, seine Stille und Klarheit wirken lassen und sich entspannen. Also kam ich mit, als die Wanderfreunde im französischen Conques mich zum Pilgergottesdienst einluden. Die mächtige Abtei dieses kleinen mittelalterlichen Ortes ist so altertümlich wie der Ort selbst.
Wir waren froh, so müde, wie wir waren, warm und im Trockenen zu sitzen im romantischen Schein einiger Kerzen. Gesetzte Worte in Französisch, die der Priester an uns richtete, stimmungsvolles Orgelspiel. Wir dösten. Bis uns der Organist mit etwas sehr Vertrautem überraschte. Erst einschmeichelnd und leicht, dann immer mächtiger intonierte er die unverkennbare Melodie des alten Folksongs „House of the Rising Sun“, jenen Superhit, dem Eric Burdon mit seiner markanten Stimme anno 1964 den Welterfolg beschert hatte. Ließ die schlichte Melodie erst anklingen und wirken und zog dann, als hätte er alle Zeit der Welt, Strophe für Strophe die Register der mächtigen Kirchenorgel, variierte sein Themenspiel, steigerte sich, machte aus dem Song ein bombastisches Orgelkonzert.
Die Textzeilen des Liedes auf den Lippen, die noch jeder von uns herbeten konnte, ließen wir uns geradezu fluten. Von Klängen ohnegleichen. Burdons Folkrockhit als Orgelwerk: Ein unwiderstehlicher Schmachtfetzen. Hinreißend. Mitreißend. Ohrenbetäubend. Gewaltig. Der Organist hatte ganze Arbeit geleistet. Auch ohne Burdons prägende Stimme war es, ich schwör’s, die großartigste Version, die ich je gehört habe. Und die alten Kirchengemäuer: wie dafür gemacht. Wenn das Eric Burdon wüsste!
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen