LESERINNENBRIEFE
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Teil der Behandlungskosten

■ betr.: „3 Millionen Euro für ein behindertes Kind“, taz vom 2. 4. 14

Im Kern ist die zentrale Frage, ob das Risiko für einen Behandlungsfehler bei einer Geburt oder irgendeiner anderen medizinischen Leistung Teil der Behandlungskosten ist. Bei jeder anderen Dienstleistung werden Risiken für Folgekosten in den Preis für die Dienstleistung integriert, und das müsste dementsprechend auch bei medizinischen Dienstleistungen der Fall sein. Für Hebammen würde das bedeuten, dass die Vergütungssätze, die die Krankenkassen zahlen, so gestaltet werden müssen, dass die Haftpflichtversicherungsprämien aus diesen Sätzen bezahlt werden können und gleichzeitig für die Hebammen ein angemessenes Gehalt übrig bleibt. Die Kassen zahlen die Kosten für die Versicherungsprämie an die Hebammen, die Hebammen zahlen die Prämien an die Versicherungen, und die Versicherungen erstatten den Krankenkassen die Behandlungskosten bei Behandlung – so ein Kreislaufgeschäft erzeugt dann nur zusätzliche Verwaltungskosten. Es wäre also sinnvoll, wenn die Krankenkassen selbst gleich als Versicherer auftreten und dementsprechend alle auftretenden Kosten bei Behandlungsfehlern übernehmen. Dies sollte durch eine entsprechende gesetzliche Regelung realisiert werden. PETER STENDER, Hamburg

Emissionshandel reaktivieren

■ betr.: „Verbraucher im Abseits“, taz vom 3. 4. 14

Die immer wieder vorgebrachten Argumente, die Stromkosten für die VerbraucherInnen seien aufgrund des EEG zu hoch, dienen einzig und allein dem Zweck, die Energiewende zugunsten der vier großen Stromkonzerne zurückzufahren.

Eine Verringerung der Kosten für die VerbraucherInnen ließe sich durch eine angemessene Beteiligung auch der Großverbraucher in der Industrie erreichen. Besonders aber müsste das ehemalige „Herzstück“ des Erneuerbare-Energien-Gesetzes, der Emissionshandel, reaktiviert werden, damit der Kohlestrom seinen angemessenen Preis erhält und die alten Kohlekraftwerke endlich vom Netz genommen werden, was auch den Anstieg der CO2-Emissionen stoppen würde.

Durch einen Anstieg des Preises an der Strombörse verringerte sich die Differenz zur garantierten Vergütung für die Ökostromproduzenten, sodass die EEG-Umlage entsprechend niedriger ausfiele. Deshalb müsste sich unsere ehemalige Klimakanzlerin in Brüssel stark machen für die Zukunft des Emissionshandels. Nur dadurch ließen sich die CO2-Emissionen reduzieren, was angesichts des neuen Klimaberichts besonders dringlich ist.

HELGA SCHNEIDER-LUDORFF,

Oberursel

Totalitäre Fürsorge

■ betr.: „Zigaretten ohne Marke“, taz vom 3. 4. 14

Auch andere Genussmittel töten: Zwischen 60 bis 75.000 Menschen sterben angeblich jährlich in Deutschland an Übergewicht. Laut Bundesregierung sind 74.000 Tote auf Alkohol zurückzuführen, fast 9 Prozent. Und jetzt im Frühjahr nicht die Motorradfahrer vergessen. die ein zehn Mal höheres Todesrisiko haben als Autofahrer! Man braucht also viele Schockbilder. Die Zahlen schwanken aber stark, denn man wird kaum einen übergewichtigen Raucher finden, der nicht Alkohol trinkt. Auf welches Gift ist sein Herzinfarkt dann zurückzuführen? Andererseits ist mir noch kein magerer, abstinenter Nichtraucher begegnet, der ewig lebte. Es wird so getan, also wären die 700.000 noch gesund und munter, ließen sie nur das Rauchen. Aber wer im Alter an Lungenkrebs stirbt, würde sonst natürlich an etwas anderem sterben, vielleicht an Darmkrebs oder Prostatakrebs und vielleicht etwas später. Die Entscheidung, wie riskant man lebt, sollte eigentlich jedem Menschen selbst überlassen bleiben. Es macht sich aber eine Haltung breit, dass der Einzelne gegenüber der Gemeinschaft geradezu moralisch verpflichtet ist, alles zu tun, um fit zu bleiben und so lange zu leben wie irgend möglich (während gleichzeitig die Überalterung der Gesellschaft beklagt wird). Diesem als Fürsorge getarnten Denken wohnt etwas Totalitäres inne. Die Gemeinschaft hat ein Anrecht auf den Körper und kann von mir verlangen, ihn zu pflegen und sinnvoll zu nutzen. Nichts da, meine Lunge gehört mir!

PAUL TIEFENBACH, Bremen

Eklige Bilder, aber Tabaksteuer kassieren

■ betr.: „Zigaretten ohne Marke“, taz vom 3. 4. 14

Der Kommentar mag ja durch das Recht auf freie Meinungsäußerung gedeckt sein, mit sachlicher Darstellung hat dies aber absolut nichts zu tun. Es ist halt chic heutzutage, sich als militanter Nichtraucher hinzustellen.

Wo ist denn der große Aufkleber am (vielleicht vorhandenen) Auto von Kai Schöneberg mit Darstellung von zerquetschten blutenden Unfallopfern? Oder wo gibt es denn die Schnapsflaschen mit großen Bildern von Fettlebern und der Aufschrift „Alkohol zerstört intakte Familien“?

Dies soll nur verdeutlichen, wie hirnrissig eigentlich solche vorgeschobenen Alibi-Gesundheitsbildchen und -sprüche sind, sprich: eklige Bilder als Gesundheitsschutz zu verkaufen und andererseits aber Millionen an Tabaksteuer fest im Staatshaushalt einzuplanen.

Ich bin seit Jahren Abonnent der taz und muss sagen, das Gute an dieser unabhängigen Zeitung ist gerade das Unangepasste im journalistischen Mainstream und Allerlei. Aber auch hier gibt es Grenzen des guten Geschmacks.

OLIVER GROSS, Bad Kissingen