Der Wochenendkrimi
: Lange Leitung

„Tatort: Nachtwanderer“, So., 20.15 Uhr, ARD

Hightechkommunikation und Paranoia, ein schönes Themenpaar. Im Kino läuft demnächst mit der US-Produktion „Pulse“ ein angemessen hysterisches Horrorszenario aus der Welt des kabellosen Informationsaustauschs, in der Handys und Internet für eine schleichende Zombieisierung der Menschheit sorgen. Dieser SWR-Krimi liefert quasi die süddeutsche „Tatort“-Variante des Sujets: gediegen und sehr, sehr langsam.

Alles beginnt in den Trümmern einer gesprengten Ludwigshafener Mobilfunkbasisstation, in der die Teile einer Schulrektorleiche herumliegen. Der Tote war zu Lebzeiten in seiner Nebenfunktion als Stadtrat Befürworter der Sendestation, die von einer Bürgerinitiative wiederum heftig bekämpft wurde.

Hauptverdächtiger ist der Familienvater Georg Schwab (vom „Tatort“-Haushauptverdächtigen Karl Kranzkowski gespielt) – er war Rädelsführer des Nachbarschaftsprotests und zu DDR-Zeiten dubioserweise sogar mal Sprengmeister. Einst verlor Schwab seine Frau an den Krebs, der seiner Meinung nach von Elektrosmog hervorgerufen wurde. Mobilfunktelefone kochen unsere Gehirne weich, meint er deshalb und doziert im Verhör mit Lena Odenthal (Ulrike Folkerts) und Mario Kopper (Andreas Hoppe) über digitale, gepulste und sonst was für Strahlung. Dabei guckt er mit schreckhaft aufgerissenen Augen, als sei er bereits den Handy-Zombies aus „Pulse“ begegnet.

Diese patent gespielte wahnhafte Angst nutzen die Filmemacher (Buch: Isolde Sommer, Regie: Johannes Grieser) leider nicht dazu, ein bisschen tiefer in die Wahrheiten, Halbwahrheiten und Spektulationen zum Thema einzutauchen. Stattdessen präsentieren sie eine Reihe von 08/15-Verdächtigen – von der betrogenen Gattin des Toten bis zum eifersüchtigen Nebenbuhler. Nur Kopper, der große Sensibilist unter den deutschen Kripo-Assis, lässt Schwabs Prophezeiungen ein bisschen auf sich wirken und verbannt die drahtlosen Telefone aus der WG. Hightechparanoia auf Pfälzisch. CHRISTIAN BUSS