Grüne setzen auf die Justiz

ATOMGESETZ Das Bundesverfassungsgericht kann die Laufzeitverlängerungen kippen, falls Schwarz-Gelb den Bundesrat umgeht, so ein Rechtsgutachten im Auftrag der Grünen

„Es ist sehr, sehr absehbar, dass wir eine Klage anstrengen“

JÜRGEN TRITTIN, GRÜNE

VON FELIX DACHSEL

Die Bundestagsfraktion der Grünen ist optimistisch, die geplante Verlängerung der AKW-Laufzeiten juristisch stoppen zu können. Grund ist ein am Montag vorgestelltes Rechtsgutachten. Der Kasseler Jurist Alexander Roßnagel kommt im Auftrag der Grünen zum Schluss, dass eine Umgehung des Bundesrats verfassungswidrig ist.

Roßnagel hatte die umstrittene Frage, ob die Länder an einer Änderung des Atomgesetzes beteiligt werden müssen, erstmals auf Grundlage des konkreten Gesetzestextes beurteilt. Am Donnerstag will die schwarz-gelbe Bundestagsmehrheit die Änderung des Atomgesetzes in dritter Lesung verabschieden und damit die Laufzeiten verlängern.

Der eingebrachte Entwurf sieht bisher keine Zustimmung der Länderkammer vor. Das neue Gesetz habe jedoch, so Roßnagel, erhebliche Auswirkungen auf die Atomaufsicht der Länder. Zum einen verlängere sich die Dauer dieser Aufsichtsfunktion erheblich. Mit dem Konsens über den Atomausstieg im Jahr 2000 seien allen 17 deutschen Reaktoren zusammen noch 250 Betriebsjahre zugestanden worden. Davon seien Ende 2010 bereits 183 Jahre abgelaufen. Es blieben also ohne neues Gesetz noch 67 Jahre. Stattdessen wolle die Regierung den Betreibern nun noch 196 Betriebsjahre zugestehen, das bedeute eine Verdreifachung der Laufzeiten.

Zum anderen würden die Länder durch die Alterung der Reaktoren mit höheren Risiken konfrontiert und für zusätzliche Überprüfungen und Nachrüstungen verantwortlich sein. Dies stelle für die Länder, so Roßnagel, eine qualitativ andere Herausforderung dar.

Eine Zustimmung des Bundesrates sei darum unumgänglich. Falls Schwarz-Gelb das Atomgesetz trotzdem ohne die Zustimmung des Bundesrats ändert, will die Bundestagsfraktion der Grünen in Karlsruhe klagen. Ein entsprechender Normenkontrollantrag kann nach Verkündung des Gesetzes von mindestens einem Viertel der Abgeordneten des Bundestags eingereicht werden. Die Grünen verfügen nur über 68 der nötigen 156 Abgeordneten und können das gesetzte Quorum aus eigener Kraft nicht erreichen.

Grünen-Fraktionschef Jürgen Trittin zeigte sich am Montag optimistisch, dass die Grünen in ihrem Vorhaben von weiteren Abgeordneten der Opposition unterstützt werden. „Es ist sehr, sehr absehbar, dass, wenn die Bundesregierung diesen Weg gehen wird, wir eine Klage anstrengen, der sich die nötige Zahl der Abgeordneten anschließen wird“, sagte Trittin.

Unterdessen fordert der Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND) die Regierungsparteien auf, für die Abstimmung im Bundestag am Donnerstag den Fraktionszwang aufzuheben. „Jeder Abgeordneter muss mit seinem Gewissen ausmachen, ob die Reaktoren abgeschaltet werden oder ob künftigen Generationen ein noch größeres atomares Erbe aufgebürdet wird“, so Klaus Brunsmeier, stellvertretender BUND-Vorsitzender.

Gleichzeitig demonstrierten am Montag in Berlin mehrere hundert Atomkraftgegner gegen die bevorstehenden Atommülltransporte nach Gorleben. Mit einem Imitat des Castortransports zogen sie von der Vattenfall-Zentrale zum Bundestag, wo der Umweltausschuss über das Atomgesetz beriet. Dort stapelten sie einen Müllberg aus Fässern, um auf die ungelöste Endlagerfrage hinzuweisen.