leserinnenbriefe
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Tochter einer Schneiderin

■ betr.: „Emanzipiert und zugewandt“, taz vom 22. 10. 10

Zum Tod von Loki Schmidt, Seite 2, im Kasten über Loki Schmidt steht bei Herkunft: „als Tochter eines Elektrikers geboren“. Also wirklich, ich will so was in „meiner“ taz nicht lesen! Loki Schmidt ist sicher auch – wie wir alle – von einer Frau geboren worden, nämlich ihrer Mutter! Verdammt, da ist ja das Hamburger Abendblatt fortschrittlicher als ihr, da ist sie als die Tochter eines Werftarbeiters und einer Schneiderin geboren. Wie oft noch muss ich dieses Totschweigen von Frauen auch in der taz ertragen?

ANDREA MARQUARDT, Hamburg

Auf Kosten der Werktätigen

■ betr.: „Wirtschaft und Minister wohlauf“, taz vom 22. 10. 10

Wo ist denn da eine interessante Information? Die großen Unternehmer stellen fest, dass ihr Geld auf dem Geldmarkt nicht so fantastisch arbeiten kann, dann drehen sie sich um, holen sich günstige Kredite, lassen sich vom Arbeitsamt billige Arbeitskräfte zutreiben und investieren wieder. Seit Jahren hat die Politik ja ihre Gewinninteressen knallhart auf Kosten der Werktätigen gefördert.

Neu wäre, wenn es hieße, dass immer mehr Unternehmer fordern, dass Sozialabgaben, Rentenbeiträge und Löhne für jeden ihrer Arbeitnehmer in angemessener Höhe zu entrichten seien. Dass sie ablehnen, Personal von windigen Leiharbeiterfirmen zugeschustert zu bekommen. Dass sie finden, dass Menschen, die für sie arbeiten, auch im Krankheitsfall versorgt werden müssen, und dass sie auch leben müssen, wenn sie alt sind, und dass ihr Arbeitsverhältnis selbstverständlich nicht nur ihren Boss reich machen soll, sondern auch ihre eigene Versorgung garantieren soll. So aber: Warum sind zum Beispiel die Rentenkassen leer? Weil Geringverdiener nicht oder nicht viel einzahlen etc., etc.

Was wir aber diskutieren, ist Ausländer rein/raus, Islam, Sarrazin vs. Bundespräsident, statt zu sehen, dass die wichtigste Frage heute nicht mehr zum Thema Religion gestellt werden muss, sondern in Sachen Wirtschafts- und Gesellschaftssystem und der Erosion selbstverständlicher Grundlagen. IDA LÖW, Aichach

Apologeten der Ungleichheit

■ betr.: „Gleichheit macht glücklich“, taz vom 23. 10. 10

Immer wieder wird auf soziale Gründe hingewiesen, die anderen Problemfeldern, wie zurzeit die Integrationsfrage, vorausgehen. Indem Robert Misik die neoliberalen Apologeten der Ungleichheit (sie nennen es „Freiheit“) auf ihrem eigenen Feld der ökonomischen Effizienz angreift, öffnet er dem geneigten Publikum den Blick auf größere Zusammenhänge des Wohlstands, die zum Teil auch in der Debatte über eine Neubewertung des Wachstums zunehmend eine Rolle spielen. Ein nächster Schritt müsste die Operationalisierung des Gleichheitsziels sein: Welche Maßnahmen kehren den Trend politischer Entscheidung in diese Richtung, welche zeigen möglichst kurzfristig Erfolge und verstärken so die Initiative? Welche Akteure sind geeignet, glaubhaft und mit differenzierten Argumenten den Debattenkampf um Begriffe und Deutungen aufzunehmen?

Eine wichtige politische Figur könnte hier das Grundeinkommen spielen (ceterum censeo). Es schafft unmittelbar ersichtlich eine Basis gleicher Anerkennung als Mensch in seinen Grundbedürfnissen und beschränkt die Konkurrenzspannung ungleicher Einkommen und Profite auf den Bereich individueller Lebensprägung.

Akteure hierfür müssten sich allerdings erst ausbilden. Die derzeit im linken Spektrum existierenden Parteien sind entweder unglaubwürdig (SPD), rückwärtsgewandt (Linke) oder von Machtoptionen und Bedeutungsblasen besoffen (Grüne). MAIK HARMS, Hamburg