Wirtschaft ohne Spendierhosen

AUFSCHWUNG Arbeitgeber lehnen Forderung des Wirtschaftsministers nach höheren Löhnen ab

BERLIN dpa/taz | Bundeswirtschaftsminister Rainer Brüderle (FDP) hat seine Forderungen nach spürbaren Lohnerhöhungen erneuert – stößt damit jedoch auf Gegenwind bei Arbeitgebervertretern.

„Den fleißigen Menschen in unserem Land gehört der Wirtschaftsaufschwung. Er sollte daher nicht an ihnen vorbeigehen“, sagte Brüderle am Montag der Bild. Gesamtmetall-Präsident Martin Kannegießer betonte hingegen in der Bild, der Aufschwung habe nicht alle Branchen erreicht. Das unterstrich auch der Zentralverband des Deutschen Baugewerbes. „Weder Dividenden- noch Lohnsteigerungen stehen jetzt im Vordergrund“, sagte Kannegießer. Diese Losung gibt auch Niedersachsens Finanzminister Hartmut Möllering (CDU) für den öffentlichen Dienst aus: „Die Länderfinanzen bieten keinen Spielraum für Lohnerhöhungen.“ Möllering ist Verhandlungsführer für die Länder. Tarifrunden stehen dort ab Januar an.

Kai Bliesener, Sprecher der IG-Metall-Bezirksleitung Baden- Württemberg, sagte, der Tarifvertrag für die Metall- und Elektroindustrie laufe ohnehin noch bis Frühjahr 2012. Wichtig sei jetzt, die in der Krise geschlossenen Vereinbarungen – das Aussetzen von Sonder- oder Weihnachtsgeldzahlungen – auf Normalmaß zurückzufahren.

Für Kontroversen sorgte am Wochenende auch die Aussage, künftig müssten Arbeitnehmer wegen des Fachkräftemangels deutlich länger arbeiten. Ulrich Blum, Präsident des Instituts für Wirtschaftsforschung, sagte der Welt: „In Zukunft wird die 43- bis 45-Stunden-Woche immer mehr zur Normalität werden.“ Hartmut Bunsen, Sprecher der ostdeutschen Unternehmerverbände und Berlins, bezeichnete dies in der Leipziger Volkszeitung als „Phantomdebatte“. Selbst wenn Arbeitnehmer künftig 45 Stunden arbeiten müssten, könne damit wegen des Bevölkerungsrückgangs der Fachkräftemangel nicht gestoppt werden. Er forderte ein „schlüssiges Einwanderungskonzept“.

Laut Statistischem Bundesamt lag die durchschnittliche Wochenarbeitszeit 2009 bei 35,8 Stunden. Jeder zehnte Erwerbstätige arbeite jedoch mehr als 48 Stunden. VOE