Gefährliche Persönlichkeiten

SICHERUNGSVERWAHRUNG Ein Gesetzentwurf der Regierung erlaubt das Wegschließen psychisch gestörter Gewalttäter. So soll ein Urteil des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte ausgehebelt werden

FREIBURG taz | Jetzt soll es ganz schnell gehen. Schon am Freitag wird der Bundestag in erster Lesung über das „Gesetz zur Therapierung und Unterbringung psychisch gestörter Gewalttäter“ beraten. Das Gesetz soll die vorzeitige Entlassung von bis zu 350 Personen aus der Sicherungsverwahrung verhindern.

Die Betroffenen können sich eigentlich auf ein Urteil des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte berufen. Das Straßburger Gericht hat im letzten Dezember die rückwirkende Verlängerung der Sicherungsverwahrung beanstandet. Derzeit gibt es in Deutschland 122 derartige Fälle, 230 kommen in den nächsten Jahren hinzu.

Die Regierung versucht jetzt, das Straßburger Urteil auszuhebeln. Der Gesetzentwurf sieht nämlich vor, dass man die Betroffenen weiterhin wegschließen kann, wenn sie an einer psychischen Störung leiden und deshalb als gefährlich eingestuft werden. Dieser Ansatz wurde gewählt, weil die Europäische Menschenrechtskonvention bei psychisch Kranken eine zwangsweise Unterbringung auch ohne neue strafrechtliche Verurteilung erlaubt.

Als psychische Störung wird laut Gesetzentwurf jede Verhaltensauffälligkeit gewertet, die zu einer individuellen Beeinträchtigung führt. Dazu gezählt werden etwa „dissoziale Persönlichkeitsstörungen“, die wohl bei sehr vielen Sicherungsverwahrten vorliegen. Nicht erforderlich ist eine echte psychische Erkrankung – schließlich galten die Täter bei ihrer Tat als schuldfähig und landeten deshalb in Gefängnis und Sicherungsverwahrung, nicht in der Psychiatrie. Neben der psychischen Störung müssen zwei Gutachter eine „hohe Wahrscheinlichkeit“ feststellen, dass der Verwahrte in Freiheit neue Straftaten gegen Leib, Leben, Freiheit und sexuelle Selbstbestimmung begeht.

In der Einrichtung, die „räumlich und organisatorisch“ vom Strafvollzug zu trennen ist, soll auf den Täter therapeutisch eingewirkt werden. Es genügt aber, wenn Therapien angeboten werden. Auch ein Täter, der Therapien verweigert, etwa weil er seine Schuld bestreitet, kann zur Therapierung untergebracht werden. Selbst Personen, die als nicht therapierbar gelten, sollen vom Gesetz erfasst werden. CHRISTIAN RATH