Kabinenpredigt
: Sarah BSC

Hurra! Hertha BSC ist und bleibt mindestens noch eine weitere Woche Tabellenspitzenreiter. Das ist schön und gut – denn wenn niemand sonst den ersten Platz haben will, nehmen wir ihn gerne.

Außerdem wurde vergangenen Freitag in der Kapelle des Olympiastadions zum ersten Mal ein Kind getauft. Der Junge wurde während des deutsch-italienischem WM-Halbfinales geboren. Anlässlich dieser Taufe wurde die nagelneue Orgel der ebenfalls noch fast neuen Stadionskapelle eingeweiht. Bischof Wolfgang Huber, der sich für deren Bau engagiert hatte, ist nun Ehrenmitglied bei Hertha BSC. Möge es dem Kind Glück bringen.

Ein dritter und letzter Grund zur Freude sind neun Jugendliche aus Weißensee. Die produzierten einen 18-minütigen Dokufilm über Hertha BSC. Der Beitrag zeigt am Beispiel der Biografie des großen Herthaners Hanne Sobek, dass es neben Gleichschaltung und Anpassung von Sportvereinen an das nationalsozialistische System auch Sportler gab, die dieses System ablehnten und bekämpften. „Er knödelte doch so gerne“, so der schöne Filmtitel, gewann den 1. Preis im „Victor-Klemperer-Jugendwettbewerb“. Klasse Film, der zum Beispiel auf www.mytube.de zu finden ist.

Hertha ist zu recht stolz auf diese Kids, noch stolzer allerdings auf Bischof Huber und gar nicht stolz auf die eigene Vergangenheit. Dabei haben die Jugendlichen aus Weißensee dem Verein mit ihrem Film eine goldene Brücke gebaut. Es wird doch derzeit wieder über den ätzenden Rassismus beim Fußball diskutiert. Dabei rollen viele Krokodilstränen bei den Vereinen, sicherlich wird es eine neue Pressekampagne gegen Rassismus geben – und ansonsten wird alles beim Alten bleiben. Kein Wunder, wenn man bedenkt, wie wenig sich die Vereine mit der eigenen Vergangenheit im Naziregime auseinandersetzen – und da bildet Hertha leider keine Ausnahme.

Anstatt die gute Gelegenheit, die „Er knödelte doch so gerne“ bietet, zu nutzen, will Hertha weiterhin so wenig wie möglich von der eigenen braunen Vergangenheit wissen. Konsequent rechts blind, wurde die Finanzierung der einzigen Honorarstelle für die Aufarbeitung der Vereinsgeschichte im Hertha-Archiv ersatzlos gestrichen. Eingesparte Kosten pro Jahr: schätzungsweise der Gegenwert einer der 186 neuen Orgelpfeifen.

SARAH SCHMIDT