Bei Turbine läuft’s nicht rund

Für die erfolgsverwöhnten Fußballerinnen aus Potsdam hat die Saison miserabel begonnen. Erstmals seit Bestehen der Bundesliga hat das Team zweimal hintereinander verloren. Der Trainer fordert mehr Einsatz von den Leistungsträgerinnen

VON JOHANNES KOPP

Beim FC Turbine Potsdam sprechen derzeit alle mit einer Stimme – mit der von Trainer Bernd Schröder. Er hat nämlich seinen Spielerinnen das Recht auf freie Rede entzogen. „Sie können mit meinen Spielerinnen nur sprechen, wenn ich die Anweisung dazu gebe. Das will ich aber momentan nicht“, antwortet der 64-Jährige auf Interviewanfragen. Ganz nach Art absolutistischer Herrscher verhindert er Vielstimmigkeit, als wollte er sagen: „Turbine Potsdam bin ich.“ Es gehe aber nicht um ihn, so Schröder, sondern um den Schutz der frustrierten Spielerinnen.

Was ist passiert? Der Trainer fasst es kurz zusammen: „Erstmals seit Bestehen der Bundesliga haben wir zweimal hintereinander verloren, dabei schlechten Fußball gespielt und im Heimspiel gegen Wolfsburg 1.700 Zuschauer enttäuscht.“ Zwei Niederlagen wiegen in der unausgeglichen besetzten Frauenbundesliga schwer: Wer Meister werden möchte, sollte nicht mehr als ein Spiel verlieren – in der gesamten Saison. So unerbittlich ging es in den vergangenen fünf Jahren im Kampf um den ersten Platz zwischen Potsdam und dem 1. FFC Frankfurt zu. Deshalb konnte auch der Erfolg gestern gegen Crailsheim die Krisensituation bei Turbine nicht schönen. Mit 3:1 besiegten die Potsdamerinnen den Aufsteiger.

Die erneute Meisterschaft ist für sie jedoch schon nach den ersten Spieltagen in weite Ferne gerückt. Zumal mit dem FCR Duisburg seit neuestem eine weitere Mannschaft im Titelkampf zu beachten ist. Die erfolgsverwöhnten Potsdamerinnen, die in den letzten drei Jahren jeweils zwei von drei möglichen Titeln (Meisterschaft, DFB-, Uefa-Pokal) gewannen, stehen vor ungewohnten Problemen.

Eine unangenehme Situation, insbesondere für den Trainer. Denn Schröder weiß: Wenn gezeigte Leistung und eigentliches Vermögen soweit auseinanderklaffen, gerät unweigerlich der psychologische Aspekt in den Blickpunkt. „Die Psychologisierung des Fußballs – wie ich das hasse“, bricht es aus ihm heraus. Für ihn löst man so keine Schwierigkeiten, sondern bereitet sich erst welche. In seiner 35-jährigen Tätigkeit als Frauentrainer habe er festgestellt, dass ihm im Gespräch immer wieder die gleichen Geschichten aufgetischt werden. Deshalb höre er gar nicht mehr hin. Grundsätzlich halte er die Psyche der Frau für unerklärlich.

Interessanterweise begründet Schröder die Krise seines Teams damit, dass das Team mit der ersten Niederlage in Essen nicht zurechtgekommen sei. Der Trainer streitet also nicht ab, dass die Psyche eine Rolle auf dem Feld spielt – er will sich nur nicht damit beschäftigen.

Sportlich liegt auch einiges im Argen. Turbine verjüngt gerade das Team. Im Kader stehen sieben Spielerinnen, die nicht älter als 18 Jahre sind. Von den Leistungen der jungen Spielerinnen wie Stephanie Draws (16) und Josephine Schlanke (18) ist Schröder zwar angetan, doch von seinen erfahrenen Nationalspielerinnen erwartet er mehr. Nadine Angerer, Ariane Hingst, Navina Omilade und Conny Pohlers würden ihren Führungsaufgaben nicht gerecht. Pohlers, kritisiert Schröder die Torschützenkönigin der letzten Saison, traue ihren Mitspielerinnen nicht. Sie spiele den Ball im Sturm nicht mehr zu den besser postierten Kolleginnen. Die Teamkolleginnen würden sich an solch einem Verhalten orientieren.

Der offensive Kombinationsfußball, für den Potsdam gepriesen wurde, stockt. Als Entschuldigung für die Niederlagen will der Trainer das aber nicht anführen. Er sagt, aufgrund der personellen Überlegenheit hätte man die Spiele trotzdem gewinnen müssen.

Der Umbruch wurde bei Turbine Potsdam nicht ganz freiwillig eingeleitet. Vor der Saison wechselten die Nationalspielerinnen Petra Wimbersky und Karolin Thomas zum Erzrivalen, dem 1. FFC Frankfurt. Für Schröder ist das ein Reizthema. Denn weder Frankfurt noch die Spielerinnen hatten ihn im Vorfeld über einen Wechsel informiert. Beide Seiten hielten das für nicht notwendig, da die Verträge ausliefen. Eine übliche Vorgangsweise im professionellen Geschäft, sagen sie. Schröder dagegen sieht die heile Welt des Frauenfußballs zugrunde gehen. „Frankfurt hat sich wieder zum Feind Nummer eins gemacht. Sie wollen mit brachialer Gewalt den Erfolg“, schimpft er.

Dennoch ist ihm nicht bange. Anfang Januar darf auch Nationalstürmerin Anja Mittag wieder mitspielen. Sie ist gerade von einem mehrmonatigen Gastspiel aus Schweden zurückgekehrt. Schröder: „Bis dahin sind wir eingespielt. Die Mannschaft hat eine sehr gute Perspektive.“