weg mit großbritannien von RALF SOTSCHECK
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Sie hat die höchste Auflage von allen englischsprachigen Zeitungen in der Welt. Mehr als drei Millionen Menschen kaufen täglich die Sun, achteinhalb Millionen lesen sie – oder schauen zumindest die Bilder an, vor allem das nackte Mädel auf Seite 3, dessen blanker Busen verschämt „T*ts“ genannt wird.

Eigentlich ist die Sun aber gar keine Zeitung, sondern eine Spezialpostille für ein Stammtischpublikum, das den Verstand in Pfefferminzsauce eingelegt hat – Labour-Wähler eben, denn das ist die Partei, die von der Sun an die Macht gebracht worden ist, wie das Blatt nicht ganz zu Unrecht prahlt. Als Dank dafür gehört Verleger Rupert Murdoch inoffiziell zum Kabinett.

Wenn sich Premier Tony Blair zu europafreundlich gibt, ruft ihn Murdoch mit Hilfe seines Kampforgans zur Ordnung. Denn aus Europa, vor allem aus Deutschland, kann nichts Gutes kommen, weiß der kleinformatige Schmutzkübel. Neulich warnte er: „Deutschland heckt einen Plan aus, um Großbritannien von der Landkarte zu tilgen.“ Was denn, schon wieder? „Die Deutschen wollen, dass die 25 EU-Mitgliedsstaaten ihre nationalen Grenzen abschaffen“, hieß es weiter. „Dann gibt es England, Schottland, Wales und Nordirland nicht mehr. Wir würden aufgeteilt und mit anderen Ländern verschmolzen, um transnationale EU-Regionen zu bilden.“ Illustriert ist der Artikel mit einer „bekloppten EU-Landkarte“.

Die südenglischen Grafschaften Kent und East Sussex sollen demnach Nordfrankreich zugeschlagen und in „TransManche“ umgetauft werden. Der größte Teil von England und Schottland käme in einen Topf mit Teilen Skandinaviens, Deutschlands, Belgiens und der Niederlande – die „Nordsee-Region“. Der Norden Schottlands würde mit Teilen Norwegens und Schwedens zur „Nördlichen peripheren Region“. Cornwall, die Bretagne, Nordwestspanien und Portugal fusionieren zur „Atlantik-Region“. Irland hingegen würde mit Nordirland wiedervereinigt und bekäme Wales sowie einen Brocken Nordwestengland dazu.

Das wäre zwar ein gerechter Ausgleich für Jahrhunderte Kolonialherrschaft, aber den Zipfel Nordwestengland mit der Plutoniumschleuder Sellafield können die Engländer ruhig behalten. Der teuflische Plan soll schon im Januar umgesetzt werden, wenn Deutschland die EU-Präsidentschaft übernimmt, meint die Sun. Das Blatt zitiert den deutschen Minister für Verkehr, Wolfgang Tiefensee, der gesagt haben soll, die große Hoffnung für ein vereintes Europa sei die Überwindung alter Grenzen.

Natürlich hat David Wooding, der den Artikel verzapft hat, einen Knall. Bei der Karte, die er irgendwo im Internet ausgegraben hat, handelt es sich vermutlich um Fischereiregionen. Aber nichts ist zu blöd, als dass man es den Sun-Lesern nicht als kontinentale Gefahr verkaufen könnte. Schließlich hat das Blatt ja auch mal behauptet, Brüssel wolle den Krümmungsgrad von Bananen festlegen. Recherche, so das Prinzip des bedruckten Abfalleimers, ist was für Weicheier.

Allerdings ist die Idee der Zerlegung des Vereinigten Königreiches gar keine so schlechte Idee. Vor allem, wenn man Sellafield und die drei Millionen Sun-Leser samt Murdoch und Blair zusammenführt und die Region „No go area“ tauft.