die taz vor fünf jahren über die „kollateralschäden“ im „krieg gegen den terror“
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Woran lässt sich eine Militarisierung der Außenpolitik erkennen? Vielleicht daran: Bis vor wenigen Jahren mussten Befürworter von Militäroperationen ihre Ziele exakt definieren und plausibel begründen, weshalb sie glaubten, dass diese sich nur mit dem Einsatz von Soldaten erreichen ließen. Heute müssen Gegner solcher Interventionen beweisen, dass sich das angestrebte Ziel auch auf andere Weise erreichen lässt. Im Zusammenhang mit dem Kampf gegen den Terror haben sie da keine Chance.

Wird denn aber vielleicht die Welt durch den „Krieg gegen den Terror“ wenigstens ein kleines bisschen sicherer? Wohl kaum. Dafür haben die Bewohner der verschiedenen Regionen der Erde einen zu unterschiedlichen Blick auf diese Welt.

Der Kampf der Kulturen wird nicht allein dadurch abgewendet, dass westliche Politiker fest versprechen, ihn nicht führen zu wollen – so notwendig das ist. Wann immer der Eindruck entsteht, dass ein amerikanisches oder auch ein europäisches Menschenleben mehr wert ist als ein afrikanisches oder ein asiatisches, wird dieser Kampf wahrscheinlicher.

Flüchtlingshilfe und Nahrungsmittelpakete genügen nicht, um dem entgegenzuwirken. Vielleicht wünschen viele Afghanen eine Befreiung vom Terrorregime der Taliban so innig, dass sie dafür sogar den Tod einiger Zivilisten hinzunehmen bereit sind. Das muss aber nicht für diejenigen gelten, die unter diesem Regime nicht zu leiden brauchen.

Es wäre deshalb nicht nur ein Gebot der Humanität, sondern auch eines der politischen Klugheit, kein einziges schuldloses Todesopfer in Afghanistan oder sonstwo als unvermeidliche Folge der Terroranschläge auf US-Städte zu akzeptieren. Aber es gibt keinen Krieg ohne menschliche Kollateralschäden. Deshalb macht dieser Krieg die Welt nicht sicherer, sondern noch ein bisschen weniger sicher.

Bettina Gaus in der taz vom 9. 10. 2001