IM BETT VERSAUERN UND AUS DEM INTERNET ZITIEREN
: Darauf ist Verlass: die Frühjahrsgrippe

VON JURI STERNBURG

Wenn sich passend zum Frühlingsanfang die gängigen Grippesymptome ankündigen, dann sorgt das für schlechte Laune. Alles wirkt irgendwie kuntergrau, jetzt noch ’ne Stunde schlafen, und dann ab ins Bett, lautet das Motto der Woche.

Während der Rest der Stadt durch Blumenbeete hüpft, Seifenblasen zerplatzen lässt und Händchen haltend in den Sonnenuntergang läuft, reicht meine Welt vom Kopfkissen bis zum Flachbildschirm. „Denkst du auch an deine Vitamine?“, fragt meine Mutter via Skype. „Ununterbrochen“, antworte ich und öffne die nächste Kekspackung. „Beruhige dich, der Sommer ist ja noch lang“, beschwichtigen einen die Freunde.

Doch wie sagte bereits ein schlauer Mann, dessen Namen zu zitieren hier überhaupt niemandem etwas bringen würde: „Keine Zukunft vermag gutzumachen, was du in der Gegenwart versäumst.“ Albert Schweitzer war es übrigens, der dies sagte, nur, das Problem bei Zitaten aus dem Internet ist, dass man sich nie sicher sein kann, ob sie authentisch sind, wie bereits Abraham Lincoln feststellte.

Witzig, witzig, genug gelacht jetzt.

Ich lieg hier immer noch herum wie so eine Sardine in der Dose, eingezwängt zwischen ungelesenen Romanen, Kekspackungen und dieser Frau, so geht’s nicht weiter. Diese Rubrik heißt ja schließlich nicht „Zu Hause bleiben und rumliegen“ sondern „Ausgehen und rumstehen“. Also werden Pläne geschmiedet. Irgendwas Gesundes sollte es sein, am besten an der frischen Luft und in gesittetem Umfeld. „Wie wäre es denn mit der 24-Stunden-Installation „Meat“ von Thomas Bo Nilsson in der Schaubühne?“, fragt sie mich. Aber nein, dass muss wirklich nicht sein, ich ertrage diese nordischen Performance-Skandalkünstler nicht mehr, Fleisch und Blut krieg ich auch beim Metzger um die Ecke.

Außerdem reagieren diese Künstler oft sehr dünnhäutig. Der norwegische Regisseur und Hobbydiktator Vegard Vinge zum Beispiel wollte sich vor einem halben Jahr doch glatt prügeln, als wir seine kalkulierte Enttäuschung im Prater der Volksbühne (wo er die Türen mit Spanplatten verbarrikadieren ließ, um das Stück ohne anwesendes Publikum laufen zu lassen) nicht hinnehmen wollten und mit einem Akkuschrauber anrückten.

„Dann versauer halt weiter im Bett und lies Knut Hamsun“ sagt sie, aber erstens hab ich jetzt Hunger, und zweitens ist an klugen Sätzen wie: „Lieber eingebildet ausgehen statt ausgebildet eingehen“, ja auch was dran.

„Freches Mädchen, wie bist du nur so alt geworden, ohne dass man dich erschlagen hat?“, zitiere ich einen an Uschi Glas gerichteten Satz von Roy Black, und endlich klingelt das Telefon.

„Die Saisoneröffnung der Pferderennbahn Hoppegarten steht an, ich hoffe, ich seh dich dort.“ Ich schwinge mich aus dem Bett, Romane und Kekse fliegen durch die Luft, der Kleiderschrank fliegt auf, und ich krame mein bestes Hemd heraus. Es ist ein zerrissenes T-Shirt, auf dem „Good Night White Pride“ steht. Ich bin ausgehfertig. Kurz darauf sitze ich in der Presselounge der Pferderennbahn, den Feldstecher im Gepäck, und beobachte das rege Treiben. Selbst einen Ingwertee konnte ich hier auftreiben, la vie est belle, was kostet die Welt, ich nehm die Hälfte.

Die paar Afterhour-Hipster und Thor-Steinar-Träger, die in Hoppegarten rumlaufen, verschwinden fast in der Masse, das überlebe ich jetzt auch noch.

Und nun, als ich glaube, es kann alles nicht mehr besser werden, gewinnt auch noch der Außenseiter, auf den ich aus Jux und Dollerei gesetzt habe. Man sollte den schnöden Mammon nicht zu ernst nehmen, oder wie Henry Fielding sagte: „Mach Geld zu deinem Gott, und es wird dich plagen wie der Teufel“, aber schön ist es doch trotzdem.

Und die Erkenntnis des Tages? Krank sein kann jeder, und Zitate sind manchmal ganz hilfreich, man muss mit beidem nur richtig umgehen können.