Das neue Spielzeug der Polizei

Die Berliner Polizei setzt das Fahndungsmittel stille SMS inflationär ein

VON SEBASTIAN HEISER

Die Berliner Polizisten haben die Handyortung für sich entdeckt: 250.000-mal verschickten die Beamten im vergangenen Jahr eine stille SMS, die beim Empfänger nicht angezeigt wird, und erfuhren dann, in welcher Funkzelle sich der Handybesitzer gerade aufhält. Mit der Handyortung ist es offenbar wie mit jeder neuen Technik: Es macht erst mal Spaß, damit herumzuspielen. Innerhalb von zwei Jahren hat sich der Einsatz dieses Fahndungsinstruments vervierfacht.

Aber hilft es auch? Das weiß man nicht so genau. Die Polizei weigert sich, Zahlen vorzulegen. Sie will nicht verraten, in wie vielen Fällen es nur dank der neuen Technik gelang, einen Straftäter dingfest zu machen. Die Polizei meint, es wäre zu viel Aufwand, diese Zahlen vorzulegen. Zu viel Aufwand? Das klingt nicht gerade glaubwürdig als Ausrede für jemanden, der die Kapazitäten hat, 250.000 SMS zu verschicken und die empfangenen Ortungsdaten auszuwerten.

Nicht gefasste Verbrecher

Interessanter als die Zahl der Verbrechen, die dank der Handyortung aufgeklärt wurden, wäre aber ohnehin eine andere Zahl: Wie viele Verbrechen wurden nicht aufgeklärt, weil die Polizei zu viele ihrer Kapazitäten in die neue Technik gesteckt hat anstatt in die Ermittlungsmethoden, mit denen sie früher gearbeitet hat? Die Polizeiliche Kriminalstatistik liefert dazu einen Anhaltspunkt: In den beiden Jahren, in denen die Polizei sich immer stärker mit der Ortung von Handys beschäftigt hat, ist die Zahl der nicht aufgeklärten Straftaten von 53,9 Prozent auf 56,3 Prozent gestiegen. Das heißt: Je länger die Polizisten vor ihrem neuen Spielzeug sitzen, desto weniger haben die Verbrecher zu fürchten.