DAUMENKINO
: „Wir sind die Nacht“

Seit dem Erfolg der „Twilight“-Serie gilt das Vampirfilmgenre wieder als kassenträchtig. Dass Dennis Gansels „Wir sind die Nacht“ schon im Vorspann verspricht, mehr Berlin- als Vampirfilm zu sein, wirkt in diesem Zusammenhang ermutigend. Wer könnte die von Ravern umlagerte Siegessäule oder die feiernde Menge auf der Mauer vor dem Brandenburger Tor ohne Nostalgie betrachten? Doch etwas ist anders: Von überall schauen die großen Augen von Nina Hoss zurück. Hoss spielt die Vampirdame Louise, die vom Gebissenwerden im 18. Jahrhundert erzählt und davon, warum sie in den Zwanzigerjahren den Stummfilmstar Charlotte und in den 90ern die Loveparade-Tänzerin Nora ins Reich der Untoten zu holen. Ein Reich, das sie als Frauenparadies anpreist: endlich folgenlos essen, koksen und vögeln!

Auch das jüngste, von Louise auserkorene Opfer ist ein typisches Berliner Gewächs: Lena verkörpert mit schwarz gefärbten Haaren und schmuddliger Jungskleidung jenen Punktyp, den man genau dort noch antrifft, wo sie die Kamera vom Himmel herabstürzend in den Blick nimmt: im schattigen Dunkel beim Bahnhof Zoo. Lena will gerade einen Passanten beklauen, der dummerweise schon von der Polizei beschattet wird. Sie rennt, ein Polizist ihr nach, wobei man schnell begreift, dass diesen Tom weniger die Pflicht als vielmehr eine gewisse Sympathie antreibt, schließlich ist das auch so ein Berlin-Topos: der Polizist und die Punkerin. Einem verfrühten Happyend aber tritt Louise entgegen, die sich alsbald des Nachts an Lenas zartem Hals vergeht. Als Tom seine Lena endlich ausfindig gemacht hat, steht auf einmal eine andere Frau vor ihm: Aus der abgerissenen Punkerin ist eine strahlende, divenhafte Erscheinung geworden, die mit geheimnisvollem Lächeln in ihren Lamborghini steigt.

Berlin als Stadt der Nacht und der Verwandlungen inszeniert Gansel mit teuer aussehender Action und großartigen Aufnahmen von Funk- bis Fernsehturm, von Plänterwald, „Sozialpalast“, Stadtbad Lichtenberg bis „Tropical Islands“ reichen.

Die Vampir- und Liebeshandlung fällt dagegen stark ab. Gansel legt Wert darauf, seinen Film schon im Kopf gehabt zu haben, bevor Stephenie Meyer zu schreiben anfing. Doch verdankt er ihrem Erfolg, dass er seinen Film realisieren konnte. Statt sich abzugrenzen, hätten Gansel vielleicht eher noch etwas abkupfern sollen: Das schnöde Liebesdreieck Louisa-Lena-Tom wirkt gegen die Intensität von Bella, ihrem coolen Vampir- und ihrem hitzigen Werwolfverehrer wie neue Sachlichkeit im Vergleich zu Art Déco: allzu glatt und funktional. BARBARA SCHWEIZERHOF

■ „Wir sind die Nacht“. Regie: Dennis Gansel. Mit Nina Hoss, Karoline Herfurth u. a. Deutschland 2009, 100 Min.