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: Angezapfte Pipeline

Weil Exkanzler Gerhard Schröder ein Herz für den darbenden FC Schalke hat, darf sich der Klub über Geld von Gazprom freuen

Der Schalker Aufsichtsratschef Clemens Tönnies hat leicht reden, wenn er in diesen Tagen verkündet: „Wir haben ja noch einiges in der Pipeline“. Bis zu 125 Millionen Euro sollen in den kommenden fünf Jahren von Russland ins Ruhrgebiet gepumpt werden. Der russische Erdgasmonopolist Gazprom gibt dem FC Schalke ab Januar Geld, und das nicht zu knapp. Es handelt sich um den höchstdotierten Sponsorenvertrag in deutschen Landen. Die Boulevardpresse hat den Traditionsverein nun kurzerhand in FC Schalski umgetauft. Man kennt das aus der englischen Premier League, wo es bereits den FC Chelski gibt – seit der der betuchte Privatier Roman Abramowitsch beim Londoner Fußballklub für sehr solide finanzielle Verhältnisse sorgt.

Taufpate des Schalker Gazprom-Geschäftes ist Exkanzler Gerhard Schröder und ein bisschen auch der russische Staatschef Wladimir Putin. Gazprom ist de facto ein Staatskonzern. Und Schröder leitet den achtköpfigen Aktionärsausschuss der Gazprom-Tochter Nord Stream. Die hieß vor kurzem noch North European Gas Pipeline Company (NEPG). Sitz der Unternehmung, an der Eon und die BASF-Tochter Wintershall mit jeweils 24,5 Prozent beteiligt sind, ist das schweizerische Zug, wegen der günstigen Steuersätze. Schröder kassiert für seine Tätigkeit im Überbau von Nord Stream 250.000 Euro. Das Unternehmen baut eine Pipeline von Wyborg nach Greifswald; ab 2010 sollen etliche Milliarden Kubikmeter Gas nach Deutschland fließen – pro Jahr.

In unbezahlter Nebentätigkeit hat Schröder für den FC Schalke den Kontakt zu Gazprom-Chef Alexei Miller hergestellt, dem eine Weltmarktführerschaft in Sachen Erdgas vorschwebt. Miller will expandieren, nicht nur Gasfelder anzapfen, sondern auch den Transport und Vertrieb beherrschen. Warum also nicht ein bisschen Werbung in Westeuropa betreiben, zumal die Gazprom-Gewinne enorm sind; man spricht von neun Milliarden Euro im vergangenen Geschäftsjahr.

Schröder, eigentlich Fan des Schalker Erzrivalen Borussia Dortmund, hat also vor geraumer Zeit auf ein Bittschreiben von Tönnies reagiert und seine Kontakte zu Putins Haus- und Hoflieferanten in Sachen Wärme ausgespielt. Das Geld kommt den Schalkern sehr gelegen, weil sie von Schulden schier erdrückt werden. 255 Millionen Euro an Verbindlichkeiten sollen in den Bilanzen des FC Schalke verzeichnet sein. Das Stadion wurde bereits an einen Bierbrauer verhökert. Tönnies höchstselbst und ein weiteres Aufsichtsratsmitglied haben dem Klub ein Acht-Millionen-Darlehen gewährt, damit der Laden in Gelsenkirchen weiter läuft. Aus dem Uefa-Cup ist der Klub kürzlich ausgeschieden – diese Geldquelle ist versiegt. Was blieb, war die Hoffnung auf einen potenten Geldgeber von außen. Dass es ausgerechnet ein nicht besonders gut beleumundeter russischer Großkonzern ist, sorgt für Wirbel in der hiesigen Presse. Die Verzahnung von Sport, Politik und Großkapital tut ein Übriges. Heute wird der Kontrakt in Dresden im Rahmen des „Petersburger Dialogs“ unterschrieben und offiziell bekannt gegeben, dass es auch eine Zusammenarbeit des Fußballklubs Zenit St. Petersburg mit dem FC Schalke geben wird; Petersburg ist bereits von Gazprom-Rubeln abhängig. Es wird also eine Pressekonferenz geben, bei der nach einem Bericht der Bild-Zeitung sogar Kanzlerin Angela Merkel und Wladimir Putin vorbeischauen sollen. Sehr wahrscheinlich ist das nicht. Ein Sprecher des Vereins sagte denn auch der taz: „Wir bewegen uns außerhalb des politischen Protokolls, so vermessen sind wir beim FC Schalke nun auch wieder nicht.“

Dennoch: Der Deal ist spektakulär – und er ist überfällig. In Zeiten grassierender Globalisierung greifen nicht nur russische (Ex-)Oligarchen vom Schlage eines Abramowitsch, Boris Beresowski oder Wiktor Felixowitsch Wexelberg nach Fußballvereinen (West Ham United)und sogar Nationalmannschaften (Argentinien), sondern auch mehr und mehr Konzerne bedienen sich in der Ballbranche. Ihnen dient der Fußball zur Aufhübschung des Images, zum Transport der Werbebotschaft und als Kontaktbörse für weitere Geschäfte. In den VIP-Räumen der Arenen kommt man sich näher, was noch besser funktioniert, wenn einem das Stadion selber gehört. So wird nun darüber spekuliert, was die Gegenleistung des FC Schalke 04 sein könnte, ganz ohne dürfte es in der Szene der Großzampanos nicht abgehen.

Es ist möglich, dass Gazprom an der Stadiongesellschaft beteiligt wird, an der Schalke mit 58 Prozent die Mehrheitsanteile hält. Eine Kapitalerhöhung wurde kürzlich beschlossen und der Finanzvorstand des Klubs, Josef Schnusenberg, hat verkündet, in der Stadion-Gesellschaft sei noch „Platz“. Man darf sicher sein, dass Gazprom nicht aus philanthropischen Motiven in Deutschlands Fußball-Unterhaltungsindustrie investiert. Die Interessen sind konkret kapitalistisch: Es geht ums Geld. Der Fußball dient da eher der Zerstreuung und Kontemplation. Aber auch das braucht der gestresste Finanzmagnat von heute ab und zu.

MARKUS VÖLKER