Willkür ohne Grenzen

Haft, Folter, Psychatrie-Einweisung: In Zentralasien droht Journalisten Verfolgung bis zum Äußersten

Im zentralasiatischen Usbekistan braucht es für Journalisten derzeit nicht viel, um im Gefängnis oder in der Psychiatrie zu landen: Der Internetjournalist Ulugbek Haidarow wurde Mitte September auf der Straße von einer unbekannten Frau bestürmt, die ihm Geldscheine zusteckte. Sofort verhafteten ihn bereits wartende Sicherheitskräfte, den brutalen Verhören folgte ein zweitägiger Prozess: Seit Donnerstag der Vorwoche sitzt der 43-jährige Journalist wegen Erpressung für sechs Jahre hinter Gittern.

Zwei Tage vor der obskuren Verhaftung war Haidarows Kollege Dschamsched Karimow – ungeliebter Neffe des usbekischen Präsidenten Islam Karimow – plötzlich von der Bildfläche verschwunden. Erst nach zwölf Tagen tauchte der 39-Jährige wieder auf. Er war wie zu den düsteren Zeiten der Sowjetunion in die Psychiatrie zwangseingewiesen worden. Wie vergangenen Freitag ein Mitarbeiter der Psychiatrie in Samarkand erklärte, soll es dafür einen Gerichtsbeschluss gegeben haben. Karimow stehe bereits unter Medikamenteneinfluss.

Die beiden Journalisten berichteten für verschiedene Internetseiten über die alltäglichen Willkürtaten und Übergriffe in ihrem Heimatland. Seitdem im Mai 2005 ein Volksaufstand in der ostusbekischen Stadt Andischan von Regierungstruppen blutig niedergeschlagen wurde, unterbindet der Staat mit aller Brutalität jede Form von unabhängiger Berichterstattung. Journalisten und Menschenrechtler werden verhaftet, zusammenschlagen oder außer Landes getrieben. Ulugbek Haidarow und Dschamsched Karimow wollten das Land ebenfalls verlassen, doch die usbekischen Sicherheitsbehörden kamen ihnen zuvor.

Auch im Nachbarland Turkmenistan sind die Leben von Journalisten bedroht. Mitte September starb dort die inhaftierte „Radio-Free-Europe“-Mitarbeiteirn Ogulasapar Muradowa an den Folgen von Misshandlungen. Die 58-Jährige hatte es gewagt, in dem Land, das von dem bizarren Präsidenten Saparmurad Nijasow regiert wird, Journalisten eines ausländischen Fernsehsenders zu helfen. Dafür wurde sie der Spionage beschuldigt.

Das brutale Vorgehen der zwei Staaten hält die deutsche Bundesregierung nicht davon ab, Turkmenistan und Usbekistan als Partner für ihre Zentralasienstrategie zu werben, die einen Schwerpunkt der EU-Präsidentschaft im kommenden Jahr bilden wird. In einer Zeit, in der unabhängige Journalisten wie Haidarow und Karimow verhaftet werden oder wie im Fall von Muradowa gar ermordet werden, organisierte das Goethe-Institute Jazzkonzerte des deutschen Musiker-Duos Zöllner/Wollny in der usbekischen und in der turkmenischen Hauptstadt.

Marcus Bensmann