Handel mit ungleichen Partnern

Oxfam: EU ist bei Freihandelsgesprächen nur auf wirtschaftlichen Eigennutz bedacht

BERLIN taz ■ Das geplante Freihandelsabkommen zwischen der EU und ihren ehemaligen Kolonien in Afrika, der Karibik und dem Pazifik (AKP-Länder) droht zu einer weiteren Verarmung dieser Länder zu führen. Das befürchtet die Entwicklungsorganisation Oxfam. Gestern stellte sie einen Bericht vor, in dem es heißt, die EU fahre einen harten Kurs, der „dem wirtschaftlichen Eigennutz eine höhere Priorität einräumt als Entwicklungserfordernissen“. Anlass: die gerade angelaufene Halbzeitüberprüfung der EU-AKP-Verhandlungen.

Bis Ende 2007 soll das neue Abkommen stehen. Nötig geworden ist es, weil die Welthandelsorganisation (WTO) die bisherigen Abkommen – die nach den Unterzeichnungsorten Lomé und später Cotonou benannt waren – für unzulässig erklärt hat. Diese hatten den AKP-Staaten bevorzugten Zugang zu den EU-Märkten garantiert und damit unter anderem in Lateinamerika Proteste ausgelöst.

Nun nutzt die EU die Gelegenheit, nicht nur den Warenhandel zu liberalisieren, sondern auch Dienstleistungen, Investitionen, Wettbewerbspolitik und Patentschutz – Bereiche, an denen nur die europäischen Konzerne Interesse haben. In der WTO war vieles davon auf Druck der Entwicklungsländer gekippt worden.

„Die EU hatte ein halbes Jahrhundert Zeit für ihre Integration“, kritisiert Kingsley Ofei-Nkansah, stellvertretender Generalsekretär der Landarbeitergewerkschaft in Ghana. „Wir sollen das in einer Übergangsphase von nur zehn Jahren schaffen.“ Der Süden brauche aber mehr Zeit, etwa um regionale Handelsbarrieren abzubauen und so den Süd-Süd-Handel zu entwickeln.

Durch die schnelle Marktöffnung kommen Anpassungskosten von geschätzten 9,2 Milliarden Euro auf die betroffenen Länder zu. Allein der geforderte Zollabbau kostet beispielsweise die Republik Kongo Einnahmen in Höhe des gesamten Bildungsetats. Billig-Exporte aus der EU können lokale Lebensmittelmärkte im Süden zerstören – so wie es schon jetzt in Ghana durch europäische Hähnchenflügel geschieht.

„Wenn schon die bisherigen Handelspräferenzen nichts zur Armutsbekämpfung beitrugen, wieso sollte es durch eine erzwungene Marktöffnung besser funktionieren?“, fragt Douglas Kivumbi vom Wirtschaftsforschungsinstitut Seatini in Uganda. „Was wir brauchen, ist mehr Entwicklungsorientierung.“ Das bedeute die Stärkung verarbeitender Industrien, Infrastruktur und Fortbildung, aber auch der kleinbäuerlichen Landwirtschaft, von der mehr als die Hälfte der Bevölkerung lebt.

Hier macht die EU zwar auch entsprechende Versprechen, aber die zugesagte Mittelerhöhung hält die europäische Entwicklungshilfe real gerade mal auf dem bisherigen Stand von 0,38 Prozent des EU-Sozialprodukts. NICOLA LIEBERT