Feuerlöscher und Brandstifter in Berlin

Die große Koalition versucht das Streitthema Gesundheit abzuhaken – und eröffnet die nächsten Kleinkriege

BERLIN taz ■ Sie wollen weiter regieren. Gemeinsam. Darin, immerhin, waren sich Union und SPD gestern einig. Er sehe „die Koalition überhaupt nicht gefährdet“, sagte Unionsfraktionschef Volker Kauder. „In der großen Koalition arbeiten wir für den Erfolg des Regierungsbündnisses“, erklärte SPD-General Hubertus Heil. Also wieder Frieden?

Dass sich Union und SPD zu gegenseitigen Treueschwüren gezwungen sahen, zeigt eher, wie fragil der Zusammenhalt ist. Was eine Selbstverständlichkeit sein sollte, muss ausdrücklich betont werden – auch die Zustimmung beider Regierungsparteien zu einem Beschluss der Regierungsspitzen. So hob CDU-Generalsekretär Ronald Pofalla nach der Präsidiumssitzung seiner Partei hervor, die anwesenden Ministerpräsidenten hätten sich „klar und eindeutig“ zu dem Gesundheitskompromiss bekannt, den die Regierung letzte Woche ausgehandelt hatte. Es habe dazu, so Pofalla stolz, im CDU-Präsidium „heute keine einzige kritische Anmerkung gegeben“. Heute. Immerhin. Allerdings fehlten mit Peter Müller, Georg Milbradt und Jürgen Rüttgers drei Länderchefs, die bis zuletzt herumgenörgelt hatten.

Wie sehr sie die Kritik an der Gesundheitsreform geärgert hat, räumte die Kanzlerin indirekt ein. Sie wünsche sich von den Ministerpräsidenten in Zukunft öfter ein „Ja, aber“ statt eines „Nein, aber“ zu Regierungsbeschlüssen, sagte Merkel. Was folgte, war der Versuch beider Parteiführungen, das Thema Gesundheit abzuhaken. Trotzdem glimmt weiter Feuer unterm Koalitionsdach. Dieselben Politiker, die den Brandherd Gesundheit löschten, betätigten sich gleich wieder als Brandstifter in anderen Bereichen. Pofalla etwa rief mit seinem Vorstoß für schärfere Hartz-IV-Gesetze erwartbaren Widerstand aus der SPD hervor. Ausführlich erörtert wurden von beiden Parteien außerdem zwei Themen, bei denen sie weit auseinanderliegen. Beispiel Atomausstieg: SPD dafür, Union dagegen. Beispiel EU-Beitritt der Türkei: SPD dafür, Union dagegen.

Weiterer Konfliktpunkt ist der persönliche Umgang miteinander. „Das war kein gutes Wochenende, das die SPD da inszeniert hat“, schimpfte Kauder und meinte Kurt Becks Sticheleien. Der SPD-Chef attestierte der Union, im Regieren ungeübt zu sein und sagte Merkel Machtkämpfe in der eigenen Partei voraus. Prompt warf CSU-Chef Stoiber Beck eine „absolute Störung des Klimas“ vor. Im kleinen Kreis sei Beck kooperativ. „Kaum lässt er die Tür zufallen, wird er aggressiv.“ Eine Beschreibung, die auf viele zutrifft. LUKAS WALLRAFF