KSK = Konsequenter Schweigekurs

Die Bundesregierung verweigert weiterhin eine öffentliche Erklärung zu den Vorwürfen des Ex-Guantánamo-Häftlings Murat Kurnaz. Dafür liefert sie eine aufschlussreiche Interpretation des Kürzels KSK, das eigentlich für Kommando Spezialkräfte steht

AUS BERLIN JENS KÖNIG

Die Bundesregierung gibt in der Öffentlichkeit seit Tagen nur ausweichende Erklärungen zum Fall Murat Kurnaz ab. Der Vorwurf des ehemaligen Guantánamo-Häftlings Kurnaz, er sei Anfang 2002 von deutschen Soldaten auf einer US-Airbase im südafghanischen Kandahar misshandelt worden, steht somit weiterhin im Raum.

Am vergangenen Mittwoch hatte das Bundesverteidigungsministerium mitgeteilt, dass eine interne Arbeitsgruppe eingesetzt worden sei, um die Vorwürfe „lückenlos“ aufzuklären. Alle Soldaten, die zum fraglichen Zeitpunkt in Kandahar stationiert waren, seien unverzüglich zur Abgabe einer dienstlichen Erklärung aufgefordert worden. Weitergehende Nachfragen weist die Regierung seitdem mit dem stereotypen Hinweis auf ihre angeblichen Geheimhaltungspflichten zurück. Gestern gab ein Sprecher des Verteidigungsministeriums immerhin bekannt, dass die Untersuchung noch laufe. Minister Jung werde dem Verteidigungsausschuss des Bundestages am 18. Oktober einen Sachstandsbericht geben.

Viel besser als die öffentliche Aufklärung der Vorwürfe klappt in der Regierung jedoch das versteckte Spiel mit den Medien. So sind in den letzten Tagen etliche Hinweise gestreut worden, die Zweifel an der Darstellung Kurnaz’ aufkommen lassen sollen. Mehrere Zeitungen hatten unter Berufung auf „zuverlässige deutsche Geheimdienstquellen“ berichtet, dass es keine Hinweise für eine Kurnaz-Misshandlung gebe – ganz so, als sei die Aussage des Betroffenen nicht einmal ein Indiz. Den Berichten zufolge hätten Soldaten der Bundeswehr-Elitetruppe Kommando Spezialkräfte (KSK) in Afghanistan zwar Kontakte zu Kurnaz gehabt, ihn nach eigenen Aussagen jedoch nicht misshandelt.

Der Spiegel berichtet, in dem fraglichen Zeitraum zwischen Ende Dezember 2001 und Anfang Januar 2002 sei das KSK noch auf Masira, einer Insel vor Oman, stationiert gewesen. Lediglich zwei Offiziere, darunter der stellvertretende KSK-Chef, seien Weihnachten nach Kandahar geflogen, um die Verlegung des Bundeswehrkommandos nach Afghanistan vorzubereiten. Auch Kurnaz’ Angaben über die „Camouflage-Uniformen“ der vermeintlichen deutschen Soldaten mit „kleinen Punkten“ hätten „Insider“ nicht überzeugt: Die Einzigen, die damals in Kandahar derartige Muster getragen hätten, seien Kanadier gewesen.

Auf Nachfrage der taz, ob diese Berichte zuträfen, erklärte gestern ein Sprecher des Verteidigungsministeriums, dass es bei der „bewährten Praxis“ bleibe, über Einsätze der Elitetruppe KSK keine öffentlichen Auskünfte zu erteilen. KSK heiße, so der Sprecher wörtlich, „konsequenter Schweigekurs“.

Auch einen anderen Vorwurf Kurnaz’ versucht die Regierung mit dem Spiel über Bande zu entkräften. Der in Bremen lebende Türke hatte in einem Stern-Interview behauptet, nicht nur einmal – wie von der Regierung eingestanden –, sondern zweimal von deutschen Geheimdienstbeamten im Lager in Guantánamo verhört worden zu sein. Das Kanzleramt hat dazu dem Vorsitzenden des Parlamentarischen Kontrollgremiums, Norbert Röttgen (CDU), eine Stellungnahme übermittelt. Diese ist natürlich – geheim. Die Süddeutsche Zeitung berichtet dennoch darüber. Es sei auszuschließen, schreibe das Kanzleramt, dass einer der drei Beamten, die Kurnaz im September 2002 verhört haben, 2004 noch einmal in Guantánamo gewesen sei. Der Beweis? Es lägen dienstliche Erklärungen der drei Beamten vor.