AMERICAN PIE
: Die Magie der Außenseiter

BASKETBALL Der Deutsche Niels Giffey gewinnt mit den Connecticut Huskies überraschend zum zweiten Mal die US-College-Meisterschaft

Niels Giffey war hörbar heißer. „Unglaublich“, stammelte er, die Stimme rau, Schweiß auf der Stirn, der fransige Bart noch zotteliger als sonst. „Dass wir das alles durchgestanden haben zusammen – und jetzt sind wir wieder ganz oben.“ Tatsächlich: Die Mannschaft der University of Connecticut hat vollkommen überraschend das Endspiel des NCAA-Turniers gewonnen, und Giffey, 22 Jahre jung, ist damit der erste deutsche Basketballspieler, der zweimal den begehrten Universitäts-Titel holen konnte.

60:54 siegten die UConn Huskies in der Nacht zu Dienstag gegen die Kentucky Wildcats. Es war ein großer Kampf, ein enges, von der Defensive geprägtes Spiel, zu dem Giffey, seit dem vergangenen Jahr auch deutscher Nationalspieler, im Gegensatz zum ersten Titelgewinn 2011, als er meist nur auf der Bank saß, diesmal seinen Teil beitragen konnte. Der 2,00 Meter große Flügelspieler, der in Berlin aufgewachsen ist, erzielte insgesamt zehn Punkte, holte fünf Rebounds und versenkte einen wichtigen Dreier, als Kentucky das Spiel zu drehen drohte, aber vor allem spielte er wie seine Mannschaftskameraden aufopferungsvolle Verteidigung.

Überragend war aber wieder einmal Shabazz Napier. Der Aufbauspieler der Huskies sammelte 22 Punkte und wurde nach dem Finale zum herausragenden Spieler des Turniers gekürt. Eines Turniers, das für UConn schon in der ersten Runde hätte enden können: Gegen Saint Joseph’s setzten sich die Huskies erst nach Verlängerung durch. In jedes folgende K.-o.-Spiel ging das Team als Außenseiter – und gewann doch. Ein Lauf, den nicht nur Shooting Guard Ryan Boatright „surreal“ fand. Nach dem sechsten Sieg titelte die New York Times folgerichtig: „A Magical Season“.

Auch im Endspiel war erneut der Gegner favorisiert. Kein Wunder: Kentucky schickte zu Beginn fünf Spieler aufs Feld, denen die Experten allesamt eine NBA-Karriere voraussagen. Bei UConn dagegen gilt allein Napier als sichere Bank, beim Draft Ende Juni von einem NBA-Team ausgewählt zu werden. „Wichtig ist nicht, wer mehr Talent hat, sondern wer härter arbeitet“, stammelte Napier nach dem Sieg.

Tatsächlich trafen im Finale zwei diametrale Philosophien aufeinander. Kentuckys Trainer John Calipari setzt ganz bewusst auf Spieler, die so begabt sind, dass sie auch direkt nach der High School in der NBA anfangen könnten, aber wegen der selbstauferlegten Altersgrenze der Profi-Liga mindestens ein Jahr auf dem College zubringen müssen. Dafür muss er jedes Jahr eine nahezu komplett neue Mannschaft zusammenstellen. Sein Widerpart Kevin Ollie dagegen bevorzugt Spieler, die sich an der Universität nicht nur sportlich verbessern wollen, sondern auch einen akademischen Abschluss anstreben. Giffey und Napier sind in ihrem vierten und letzten Uni-Jahr, die anderen tragenden Spieler auch schon drei Jahre in Connecticut. Der Unterschied war insbesondere an der Freiwurflinie zu sehen: Die Huskies trafen alle zehn Versuche, die Wildcats versemmelten dagegen entscheidende elf Mal von der Linie. „Es geht nicht darum, Profi zu werden“, sagte Giffey, „es geht darum, für die Universität und deine Teamkameraden zu spielen. Ich bin so stolz auf die Jungs, die hier geblieben sind.“

Damit spielte Giffey auf die Sanktionen an, die von der College-Sport-Organisation NCAA gegen UConn verhängt worden waren. Weil Spieler, die längst nicht mehr eingeschrieben sind, schlechte Noten sammelten und Kurse schwänzten, wurden die Huskies im vergangenen Jahr vom NCAA-Turnier ausgeschlossen. Ollie, der nach 13-NBA-Jahren als Spieler bei 12 verschiedenen NBA-Teams gerade Cheftrainer geworden war, konnte nicht verhindern, dass wichtige Spieler Connecticut verließen. Die Zurückgebliebenen wuchsen umso enger zusammen, im Zentrum der unerfahrene Trainer-Novize. „Coach Ollie hat an uns geglaubt“, sagte Niels Giffey und schob hinterher: „Als niemand sonst an uns geglaubt hat.“THOMAS WINKLER