In der Liberalisierungsfalle

Im Kieler Landtag streiten sich die Koalitionspartner CDU und SPD, ob das staatliche Monopol fürs Glücksspiel erhalten bleiben soll. Beide fürchten, dass die Lotto-Fördertöpfe schrumpfen könnten

AUS KIEL ESTHER GEISSLINGER

Klar spiele er Lotto, sagte Günther Neugebauer, SPD-Abgeordneter im Kieler Landtag: „Weil das die einzige Chance für einen ehrlichen Politiker ist, zu Reichtum zu gelangen.“ Aber nicht nur der Einzelne gewinnt: Die Länder kassieren an jedem Tippschein tüchtig mit, also freut sich der Vorsitzende des Finanzausschusses über Anfälle von Lottofieber wie jüngst beim Millionen-Jackpot. Am besten solle alles beim Alten bleiben, findet Neugebauer: Der Staat behält das Monopol für das Glücksspiel und die Privaten sollen ihm keine Konkurrenz machen.

Eben das geht nicht, das weiß die Kieler SPD genau: Nach einem Urteil des Verfassungsgerichts müssen die Länder einen neuen Staatsvertrag schließen. Entweder, sie öffnen den Markt und bieten allen Anbietern gleiche Chancen, oder sie beharren auf dem Staatsmonopol. Dann aber dürfte auch für staatliches Lotto und verwandte Glücksspiele nicht mehr geworben werden. Hans-Jörn Arp von der CDU sieht dadurch deutsches Kulturgut gefährdet: „‚Ein Platz an der Sonne‘ dürfte nicht mehr ausgestrahlt werden“, befürchtet er.

Nach Ansicht seines Fraktionsvorsitzenden Johann Wadephul ist das staatliche Monopol höchstens noch zwei, drei Jahre zu halten. „Dann sind wir am Ende und die Marken der deutschen privaten Anbieter nichts mehr wert“, prognostiziert er.

Wadephul und Arp haben ein Eckpunktepapier vorgelegt, das Grundlage für eine Entscheidungen der Partei sein soll. „Weitgehende Liberalisierung des Lotteriemarktes, orientiert an den Grundsätzen unserer sozialen Marktwirtschaft“, heißt es darin etwas blumig. Man wolle „eine Wettbewerbs- und Rechtsordnung zu schaffen, in der Veranstalter und Vermittler von Glücksspielen in Wettbewerb treten und zugleich soziale Aspekte berücksichtigt werden“: Der Staat solle steuerlich profitieren, aber auch der Spielsucht vorbeugen, etwa durch Warnhinweise auf den Tippscheinen. Der vorliegende Staatsvertragsentwurf erfülle diese Vorgaben nicht.

Beifall für den Vorschlag der Nord-CDU gab es vom Verband Europäischer Wettunternehmer (VEWU). Dessen Präsident, Markus Maul, lobte: „Es spricht für die CDU Schleswig-Holstein, dass sie sich als erste CDU-Landtagsfraktion offen den Herausforderungen des Europäischen Binnenmarktes stellt.“

Morgen steht aber erst einmal die Debatte im Landtag an, und die Koalitionspartnerin SPD hält gar nichts von den CDU-Plänen. Neugebauer nannte im Vorgespräch drei Gründe gegen die Liberalisierung: Nur das staatliche Monopol helfe bei der Spielsucht-Prävention, verdränge das „mafiose Begleitzeug“ und sichere ein „verlässliches Steueraufkommen“.

Zurzeit profitieren vor allem Wohlfahrts- und Sportverbände von der staatlich geförderten Zockerei. Anbieter von Sportwetten würden zwar versprechen, Vereine zu sponsern, das sei aber keine Verpflichtung, warnt der SPD-Fraktionsvorsitzende Lothar Hay. Und dass die großen Wettanbieter sich stärker auf die erste Bundesliga konzentrieren als auf den Nachwuchs im SV Schnarup-Thumby, liege auf der Hand. Eine Liberalisierung fördere zudem die Spielsucht, befürchtet Neugebauer. „Das Geld fließt in die Industrie, der Staat muss sich um die Opfer kümmern.“ Selbst in den USA habe der Kongress gerade das Zocken im Internet verboten.

„Das ist das erste Mal, dass die USA ein Vorbild für die SPD sind“, kommentierte CDU-Fraktionschef Wadephul trocken. Im Eckpunktepapier haben er und Arp berechnet, dass Schleswig-Holstein durch das Monopol jährlich rund 55 Millionen Euro verlieren würde. „Wir stehen am Anfang der Diskussion“, sagte Wadephuhls Parteikollege Arp. „Was hindert die SPD, im Laufe des Verfahrens ihre Meinung zu ändern?“ Die berief sich auf die Genossen in anderen Ländern. Auch die übrigen SPD-Fraktionen seien für das Monopol, sagte Fraktionschef Hay.