der sichgernmalkrankheitenzuzieher von JOACHIM SCHULZ
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Vielleicht sollten wir dafür sorgen, dass Anton der Reisepass entzogen wird. Wobei man ja längst in die Wälder Finnlands oder an griechische Strände reisen kann, ohne von einem Grenzpolizisten zum Vorzeigen der Papiere aufgefordert zu werden. Aber auf blutrünstige finnische Moskitos oder die fettreichen Kreationen der griechischen Küche ist Anton gar nicht angewiesen. Er zieht sich auch so gern mal ein lebensbedrohliches Leiden zu.

Einmal fuhr er im Sommer mit Silvia nach Norderney. In der zweiten Woche bekam er Pusteln am ganzen Körper. „Was ist das denn?“, fragte Silvia. „Sonnenallergie“, sagte Anton, „aber davon lasse ich mir nicht den Rest des Urlaubs verderben.“ – „Hm“, machte Silvia, „das sieht mir aber nicht wie Sonnenallergie aus – geh besser zum Arzt!“ Doch Anton schnaufte nur: „Nichts da, pah!“, und packte das Badezeug zusammen. Erst als er am nächsten Morgen mit vierzig Grad Fieber erwachte, sträubte er sich nicht mehr gegen einen Arztbesuch. Zwei Stunden später wurde er nach Aurich ins Krankenhaus geflogen, und dort blieb er die nächsten vierzehn Tage, weil er sich zum zweiten Mal im Leben die Windpocken einfangen hatte und Gevatter Hein mit ihm offenbar eine lustige Bootsfahrt über den guten alten Jordan machen wollte.

So geht es immer. Noch nie ist Anton von einer Reise gesund zurückgekommen. Bereits als Kind holte er sich auf jeder Klassenfahrt mindestens eine Darmgrippe, und wenn er mit der Familie zum Wandern in die Berge fuhr, wurde er entweder von einem Sonnenstich oder einer Blutvergiftung umgehauen.

Als Anton und ich kurz nach dem Abitur per Interrail in den Süden brausten, zog er sich trotz Affenhitze nach wenigen Tagen einen Schnupfen zu. Er schniefte und röchelte die ganzen Ferien, schaffte es aber immerhin, die daraus entstehende Lungenentzündung so lange hinauszuzögern, bis wir wieder zu Hause waren und seine Mutter ihn direkt vom Bahnhof in die Notaufnahme bringen konnte.

Im vergangenen Jahr zuckelten Anton und Silvia mit dem Auto durch Norwegen und campten in der Wildnis. Nach einer Woche bildete sich ein roter, juckender Fleck auf Antons Brust. „Sonnenallergie?“, fragte Silvia hintersinnig. „Klar!“, sagte Anton bestimmt. Der Fleck breitete sich aus, bedeckte bald den ganzen Oberkörper, und Anton begann – genauso wie das einzige Handtuch, das er dabeihatte – muffig zu riechen. „Du solltest zum Arzt gehen!“, sagte Silvia. „Quatsch!“, sagte Anton.

Als sie nach Hause kamen, hatte die Rötung auch Arme, Beine und Rücken erobert, und als er tags drauf zum Hautarzt taperte, erfuhr er, dass er erstens die besten Chancen hätte, zum erfolgreichsten Hautpilzzüchter des Jahres gekürt zu werden, und zweitens das ominöse Handtuch nur noch mit Schutzhandschuhen anfassen und schleunigst verbrennen sollte.

Was aber lernt Anton aus alldem? Absolut nix. Im kommenden Sommer will er mal wieder in die Berge fahren. Statt sich allerdings einer betont harmlosen Beschäftigung wie dem Wandern zu widmen, will er einen Drachenflugkurs machen, und das lässt erwarten, dass er diesmal mindestens ohne Kopf nach Hause kommt.