„Detaillierte gesetzliche Regelung ist nötig“

Der Datenschutzexperte Nils Leopold hält die Fotofahndung für nicht ausgereift und verfassungsrechtlich bedenklich

taz: Herr Leopold, was halten Sie als Datenschutzexperte der Humanistischen Union vom Modellversuch des Bundeskriminalamtes?

Nils Leopold: Ich wundere mich, dass man glaubt, jetzt schon eine anwendungsreife Technologie zu haben. Bei bewegten Personen ist die Gesichtserkennung ja viel schwieriger als bei still stehenden Personen. Je mehr Personen von einer Technologie falsch erkannt werden, umso mehr Unbeteiligte wer- den bei einer Fahndung dann falsch verdächtigt. Das muss nach Möglichkeit verhindert werden.

Wie sind denn die Erfahrungen bisher bei still stehenden Personen?

Dank der neuen biometrischen Personalausweise wird es bald ja Gesichtskontrollen an der Grenze oder am Flughafen geben, dann werden wir sehen, was die Technik tatsächlich leistet. Eine Faustformel besagt, dass nur 80 Prozent der Passinhaber anhand ihres biometrischen Passbildes identifiziert werden. Viel schwieriger ist die Erkennung, wenn jemand federnden Schrittes einen Raum durchquert.

Falls die Technik doch ausreichen sollte, können dann die bestehenden Überwachungskameras genutzt werden?

Technisch könnten diese per Datenleitung sicher an die Fahndungsdatenbanken angeschlossen werden. Aber es müsste schon ersichtlich sein, welche Kamera nur aufzeichnet und welche aktiv fahndet. Auf jeden Fall ist eine detaillierte gesetzliche Regelung notwendig.

Wäre ein solches Gesetz denn mit dem Grundgesetz vereinbar?

Solche Fahndungskameras können nur an Orten zulässig sein, die ohnehin als Kriminalitätsschwerpunkte überwacht werden. Der öffentliche Raum muss im Interesse der Freiheit möglichst frei von Überwachung bleiben. Das Verfassungsgericht hat sich schon mehrfach gegen eine Rundum-Überwachung der Bürger ausgesprochen.

Könnte nach einem Terroranschlag auch eine auffällige oder gar verdächtige Person per Fotofahndung gesucht werden?

Wenn das Foto der Überwachungskamera gut genug ist, könnte die Polizei auf die Idee kommen, das Bild zum Abgleich mit den biometrischen Passbildern zu nutzen, die derzeit gesammelt werden.

Halten Sie das verfassungsrechtlich für zulässig?

Nein, das ginge vermutlich viel zu weit. Es wird ja jedes Mal ein paar hundert Fehltreffer geben, die dann von der Polizei individuell überprüft werden. Das ist den Bürgern nicht zuzumuten.

INTERVIEW: CHRISTIAN RATH