Theoretisch, aber unpraktisch?

THEATER Frank-Patrick Steckel will, dass Theater endlich auch Antworten gibt. Für dieses gewagte Experiment ist das Theaterlabor geradezu prädestiniert

Die nächsten Vorstellungen finden am heutigen Samstagabend und Mittwoch bis Samstag nächster Woche jeweils um 20 Uhr und am Sonntag nächster Woche um 18 Uhr in der Concordia statt.

■ Im Anschluss an die heutige Vorstellung gibt es ein Publikumsgespräch mit Regisseur Frank-Patrick Steckel und dem Ensemble des Theaterlabors. Der Eintritt zu diesem Gespäch ist frei.

Von Andreas Schnell

Klima, Finanzen, Energie, bedingungsloses Grundeinkommen, Agrarpolitik, Millenniumsprojekt, Arbeit, Ungleichheit und Medien – das sind die Themen, die „Rein theoretisch“ behandelt, das Regie-Altmeister Frank-Patrick Steckel mit dem Ensemble des Theaterlabors entwickelt hat und das am Donnerstagabend in der Concordia Uraufführung feierte. Ausdrücklich übrigens mit dem Ziel, auf „aktuelle Lösungsanstrengungen hinzuweisen“, wie es in der Ankündigung des Theaterlabors hieß.

Dass „Rein theoretisch“ kein normaler Theaterabend sein wird, wird schnell klar. Im Foyer begrüßt ein Zitat des Ökonomen John Maynard Keynes das Publikum, dem zufolge der Kapitalismus auf der „sonderbaren Überzeugung“ beruhe, „daß abstoßende Menschen mit abstoßenden Motiven sich irgendwann um das Wohl der Allgemeinheit kümmern werden“. Drinnen dann – Transparente an den Wänden: „Sich fügen heißt lügen“, „Die Spezies, die den Krieg erfunden hat, kann auch den Frieden erfinden!“, „Kapitalismus ist Scheiße“. An der Seitenwand steht ein Tisch mit Schriften zu den Themen des Abends, vom Ensemble recherchiert und verfasst. Noch sitzen nicht alle, da erzählt eine Schauspielerin die Geschichte einer Migration, davon, wie polemisch die Rede von Wohlstandsflüchtlingen ist. „Der Mensch hat nur ein Leben, und das möchte er so gut wie möglich geben.“

Einzelne Stimmen sprechen von allen Seiten des Saals, gegen die Politiker, gegen die Reichtumsverteilung einer Gesellschaft, in der 20 Prozent der Bürger über 80 Prozent des Reichtums verfügen, gegen Arbeitsverhältnisse, die Burnout verursachen. „Rein theoretisch“, heißt es, sei eine bessere Welt möglich, könnten Regierungen gestürzt werden, wolle niemand Krieg. Rein theoretisch. Es folgt: Die Rezitation der „Allgemeinen Erklärung der Rechte unserer Mutter Erde“. Ist Ihnen schon ein bisschen schwindelig? Dabei sind wir erst am Anfang des Abends, der im folgenden Unmengen anText liefert. Derartige Informationsmengen lassen sich in 90 Minuten nicht zu einer dramatischen Konstellation bündeln. Aber vorlesen. Und das ist im Grunde alles, was passiert, mal chorisch, mal solistisch, durch sparsame Choreographie strukturiert, die von der Bestandsaufnahme über Kritik zur Forderung leitet. An dieser Stelle ist „Rein theoretisch“ allerdings nicht unproblematisch. Wer sich zum Beispiel „die Rechte unserer Mutter Erde“ zum Anliegen macht, gerät nicht nur in Gefahr, in die Esoterik-Ecke gerückt zu werden, sondern verkennt, dass es Recht ohne höhere Gewalt nicht geben kann. Und wer höhere Steuern auf hohe Einkommen von den Politikern fordert, die ihre Gründe dafür haben, Spitzensteuersätze zu senken, unterstellt ihnen edle Absichten, die sie offenbar nicht haben. Indes: „Selber denken macht klug“, wie es auch dieses Stück fordert. Und dafür bietet es reichlich Stoff.