Rettungsschiffe bergen in zwei Tagen 4.000 Flüchtlinge

ITALIEN In diesem Jahr sind schon 15.000 Menschen im Lande aufgenommen worden. Tendenz steigend

AUS ROM MICHAEL BRAUN

In Süditalien bahnt sich ein neuer Flüchtlingsnotstand an. Allein seit Wochenanfang nahmen Schiffe der italienischen Marine und der Küstenwache in der Straße von Sizilien etwa 4.000 Menschen an Bord, die von Libyen aus in See gestochen waren. Doch das Lager auf Lampedusa ist seit Monaten wegen umfassender Renovierungsarbeiten geschlossen, und auf Sizilien fehlen Einrichtungen, in denen eine provisorische Erstaufnahme der Flüchtlinge gewährleistet werden könnte.

Mehr als 1.000 Personen rettete allein das Marineschiff „San Giorgio“ in der Nacht von Dienstag auf Mittwoch, das vier Kuttern in Seenot zu Hilfe kam. Zwei Handelsschiffe nahmen nach Angaben des Innenministers Angelino Alfano zudem am Mittwoch über 600 Menschen an Bord. „Der Notstand wird immer gravierender“, erklärte Alfano, der die Gesamtzahl der übers Mittelmeer nach Italien gekommenen Boatpeople seit Anfang Januar 2014 auf etwa 15.000 bezifferte. Etwa 300.000 bis 600.000 Flüchtlinge könnten laut Alfano in den nächsten Monaten von Libyen, aber auch von Ägypten aus die Überfahrt antreten. Die Hauptherkunftsländer sind Syrien, Äthiopien, Eritrea, Senegal und Nigeria.

Alle im Meer aufgegriffenen Flüchtlinge werden in diesen Tagen in die sizilianischen Häfen Augusta, Pozzallo, Porto Empedocle und Messina gebracht. Dort schlagen die Präfekten Alarm, da die Aufnahmekapazitäten erschöpft sind, und fordern die Errichtung auch von Zeltlagern durch den Zivilschutz.

Der hohe Flüchtlingszustrom dieser Tage erklärt sich vorneweg durch die günstigen meteorologischen Bedingungen. Auf einen weiteren Faktor wies jedoch Innenminister Alfano selbst hin: Mit ihrer starken Präsenz erleichtern die italienischen Sicherheitskräfte die Überfahrten und machen sie zugleich sicherer. Nach den beiden Katastrophen im Oktober 2013, als insgesamt womöglich über 600 Menschen ertranken, hatte Italiens Regierung die Aktion „Mare nostrum“ ausgerufen und zusätzliche Schiffe zur Rettung ausgesandt. Etwa 500 Banden organisieren laut Alfano die Kutterfahrten, bei denen die Flüchtlinge per Satellitentelefon auf der Hälfte der Strecke italienische Behörden zur Hilfe rufen.